Krankheitsbedingte Kündigung: Versetzung als milderes Mittel vom Arbeitgeber zu prüfen
Ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin und Essen.
Bei regelmäßig mehr als zehn beschäftigten Mitarbeitern greift für den Arbeitnehmer der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz. Will der Arbeitgeber dann aufgrund einer Erkrankung des Arbeitnehmers kündigen (sog. krankheitsbedingte Kündigung), muss er die Voraussetzungen, die das Bundesarbeitsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, einhalten. Bei einer Missachtung dieser Vorgaben hat der Arbeitnehmer mit einer späteren Kündigungsschutzklage gute Aussichten auf Erfolg bzw. die Erzielung einer hohen Abfindung.
Ergibt sich die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers allein daraus, dass er die konkret geschuldete Tätigkeit am bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr ausführen kann, stellt sich die Frage, ob bzw. inwiefern der Arbeitgeber dann dazu verpflichtet ist, ihm andere Arbeitsplätze anzubieten.
Dazu das Bundesarbeitsgericht: Auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer auf Dauer wegen Krankheit die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, ist eine Kündigung nach dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur gerechtfertigt, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung erforderlich ist (BAG, Urteil vom 20. November 2014 – 2 AZR 664/13 -, juris).
Der Arbeitgeber hat also die Verfügbarkeit milderer Mittel zu prüfen. Das beinhaltet Überlegungen wie etwa eine Arbeitsumstellung in der Hinsicht, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit gesundheitsschonender verrichten kann. Hier kommt etwa der Umbau von Schreibtischen in Betracht, der eine rückenschonende Arbeit ermöglichen kann. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch einen komplett anderen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen muss. Wie verhält es sich bei einem Lagerarbeiter, der nicht mehr schwer heben darf, wenn der Arbeitgeber einen Pförtnerjob frei hat?
Das Bundesarbeitsgericht: Mildere Mittel zur Vermeidung künftiger Fehlzeiten sind insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen – leidensgerechten – Arbeitsplatz (BAG, Urteil vom 20. November 2014 – 2 AZR 664/13 -, juris).
Der Arbeitgeber müsste den Pförtnerplatz also mit dem Arbeitnehmer besetzen. Kann der Pförtner wiederum auf einen anderen Arbeitsplatz versetzt werden, muss der Arbeitgeber unter Umständen sogar dies versuchen.
In solchen Fällen muss der Arbeitgeber unter Umständen einen leidensgerechten Arbeitsplatz durch Ausübung seines Direktionsrechts „freimachen“ und sich ggf. um die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats bemühen (BAG, Urteil vom 20. November 2014 – 2 AZR 664/13 -, juris).
Fachanwaltstipp Arbeitnehmer:
Wenn Sie eine Kündigung erhalten, müssen Sie innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erheben. Andernfalls wird die Kündigung wirksam. Eine solche Klage ist auch erforderlich um eine Abfindung zu erhalten. Direkt auf eine Abfindung zu klagen, ist unmöglich.
Fachanwaltstipp Arbeitgeber:
Beachten Sie, dass Sie für sämtliche Kündigungsgründe die Darlegungs- und Beweislast haben. Vor diesem Hintergrund muss der Ausspruch einer Kündigung gut überlegt werden. Vor dem Ausspruch der Kündigung sollte klar sein, auf welchen Kündigungsgrund man sich stützen will. Der Grund für die Kündigung sollte allerdings im Kündigungsschreiben nur erwähnt werden, wenn dies zum Beispiel durch einen Tarifvertrag zwingend vorgeschrieben ist.
15.09.2015
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