Weniger Sozialgeld drängt Eineltern-Familien noch weiter an den Rand
Streit um Kürzungen von Hartz-IV für Alleinerziehende noch nicht ausgestanden
Stuttgart/Freiburg, 15. Juni 2016 – Die Caritas in Baden-Württemberg begrüßt es, dass die jüngst vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) geplante Leistungskürzung für Alleinerziehende überdacht wird: Diese sieht vor, das Hartz-IV-Geld im Haushalt von Alleinerziehenden um die Tage zu kürzen, die das Kind beim anderen Elternteil – in der Regel dem Vater – verbringt. Obwohl die geplanten Reformen nochmals geprüft werden sollen, stehen für die Caritas im Land die Alarmzeichen auf Rot. „Der weitere Verlauf bleibt offen. Es ist weiterhin möglich, dass die angedachten Kürzungen für Alleinerziehende im neuen Gesetz abgebildet sind“, so die Caritasdirektorinnen Dr. Annette Holuscha-Uhlenbrock (Rottenburg-Stuttgart) und Mathea Schneider (Freiburg). Gezielt fordern sie die neue Landesregierung auf, die Augen offen zu halten, da diese Kürzungen nicht im Einklang zu der von Sozial- und Integrationsminister Manfred Lucha angekündigten Linie stehen. Mit Blick auf den jüngst erschienenen ersten Armuts- und Reichtumsbericht hatte er zugesagt, die Armut von Kindern im Land gezielt bekämpfen zu wollen.
Knapp 46 Prozent der Alleinerziehenden im Südwesten sind armutsgefährdet, dies bestätigt der erste Armuts- und Reichtumsbericht für Baden-Württemberg. Aktuell beziehen rund 48.000 Alleinerziehende in Baden-Württemberg Hartz IV und wären von der Reform betroffen. „Kommt es doch zu der Leistungskürzung, müssen sich die betroffenen Mütter fragen, ob sie sich den Umgang mit dem Vater noch leisten können. Dies kann niemals im Interesse der Kinder und somit der Politik sein“, erklären die Caritasdirektorinnen.
Sind die Eltern arm, betrifft das immer auch die Kinder und ihre Entwicklungschancen. Vor dem Hintergrund der Situation der Alleinerziehenden im Land fordert die Caritas, von zusätzlichen finanziellen Belastungen abzusehen. Mit Blick auf die aktuellen Diskussionen im Bund sollte aus Sicht der Caritas vielmehr über eine Mehrbedarfspauschale für getrennt lebende Eltern nachgedacht werden. Diese sollte beiden Elternteilen den Umgang mit den Kindern ohne weitere finanzielle Nachteile ermöglichen.
Auch unter dem Aspekt der Verwaltungsvereinfachung ist eine Kürzung des Sozialgelds nicht nachvollziehbar, sondern bewirkt in den Augen der Caritas das absolute Gegenteil: Werden die Bedarfe tageweise erfasst, bilden sie nie ab, was die Betroffenen zum Leben brauchen. Vielmehr entstehen in der Praxis Mehrkosten, etwa durch die doppelte Ausstattung eines Kinderzimmers, Kleidung und erhöhte laufende Kosten. Da davon auszugehen ist, dass die Kinder ihren Vater in manchen Monaten öfter, in anderen weniger oft sehen, muss der abzuziehende Betrag monatlich neu errechnet werden – für die Caritas im Land ein enormer, unnützer administrativer Aufwand.
Die angedachte Regelung belastet zudem das Verhältnis der Familienmitglieder untereinander. „Eine Trennung bedeutet ohnehin schon eine enorme Belastung für die Kinder. Wird der Aufenthalt beim Vater zu einer zusätzlichen finanziellen Belastung für Mutter und Kind, sind weitere Konflikte vorprogrammiert, die vor den Familiengerichten auszutragen sind“, so Schneider und Holuscha-Uhlenbrock. „Die von der Familienpolitik angestrebte Förderung partnerschaftlicher Elternschaft wird so regelrecht auf den Kopf gestellt.“
Als Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche vertritt die Caritas in Baden-Württemberg rund 3.800 Einrichtungen mit mehr als 175.000 Plätzen in unterschiedlichen Hilfefeldern, in denen 65.000 Mitarbeiter/innen tätig sind.
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