Tarifliche Verfallsfrist durch Klageerhebung nicht gewahrt
Verfasser: RA Stefan Bell, Fachanwalt Arbeitsrecht, Kanzlei Bell & Windirsch (GBR); Düsseldorf
Gilt in einem Arbeitsverhältnis eine tarifliche Ausschlussfrist, innerhalb derer ein Anspruch gegenüber dem Vertragspartner schriftlich geltend gemacht werden muss, reicht es zur Fristwahrung nicht aus, dass das Anspruchsschreiben vor Ablauf der Frist bei Gericht eingegangen ist und dem Anspruchsgegner ggf. später zugestellt wird. Entscheidend ist der Zugang beim Anspruchsgegner selbst. § 167 ZPO findet für die Wahrung einer einfachen tariflichen Ausschlussfrist bei der außergerichtlichen Geltendmachung keine Anwendung.
BAG, Urt. v. 16.03.2016 – 4 AZR 421/15 –
Der Kläger begehrt von seinem Arbeitgeber eine Entgeltdifferenz für den Monat Juni 2013. Den Anspruch hat er erstmals mit seiner bei Gericht am 18. Dezember 2013 eingegangenen und dem beklagten Arbeitgeber am 7. Januar 2014 zugestellten Klage geltend gemacht. Nach dem auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden
§ 37 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten – im konkreten Fall für die klägerische Forderung: bis zum 30. Dezember 2013 – schriftlich geltend gemacht werden. Der Kläger hat gemeint, zur Wahrung dieser Ausschlussfrist habe der fristgerechte Eingang der Klageschrift bei Gericht ausgereicht. § 167 der Zivilprozessordnung
(ZPO), der dies jedenfalls für bestimmte Maßnahmen gegen den Ablauf von Verjährungsfristen ausdrücklich regele, sei auch auf die Einhaltung tariflicher Verfallfristen anzuwenden. Der beklagte Arbeitgeber hat dem entgegengehalten, es komme bei außergerichtlichen Fristen allein auf den tatsächlichen Zugang des Geltendmachungsschreibens an. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.
Die hiergegen gerichtete Revision des beklagten Landes hatte Erfolg. Der Vierte Senat hat entschieden, dass § 167 ZPO auf tarifliche Ausschlussfristen, die durch eine bloße schriftliche Geltendmachung gewahrt werden können, nicht anwendbar ist. Er folgt damit der langjährigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der der Gläubiger einer Forderung sich den Zeitverlust durch die – in der Sache nicht zwingend erforderliche – Inanspruchnahme des Gerichts selbst zuzurechnen hat. Die Zustellung der Klageschrift am 7. Januar 2014 war danach verspätet und die Klage abzuweisen.
Zitiert nach Pressemitteilung Nr. 12/16
Fazit:
Diese Entscheidung ist für die fristgerechte Geltendmachung eines Anspruches durch Klageerhebung von maßgeblicher Bedeutung. Konnte eine tarifliche Verfallsfrist bislang durch das Einreichen einer Klageschrift eingehalten werden (Beispiel: Verfallsfrist endet am 30.04., Klageschrift geht am 29.04. beim Arbeitsgericht ein), so muss nun die Klage so frühzeitig beim Arbeitsgericht eingereicht werden, dass deren Zustellung beim Arbeitgeber noch vor Ablauf der Verfallsfrist erfolgt. Das bedeutet für die Einhaltung der tariflichen Verfallsfrist ein erhebliches Risiko, weil die Dauer einer Zustellung durch das jeweilige Arbeitsgericht nicht vorhergesagt werden kann.
Hängt die Einhaltung eines Anspruches von der Einreichung einer Klageschrift ab, muss deshalb die Klage entsprechend früher beim Arbeitsgericht eingereicht werden.
Autor und zuständig für Rückfragen: RA Stefan Bell, Fachanwalt für Arbeitsrecht
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