Stalking – Teil 3: Welche juristischen Schritte sind möglich?
ARAG Experten über Nachstellungen und wie man sich per Gesetz wehrt
Sandra Bullock, Jodie Foster, Madonna und John Lennon – sie alle sind weltberühmte Stalking-Opfer. Aber nicht nur Promis sind die Leidtragenden von Nachstellungen, Ausspähungen, ungewollten Annäherungen oder nächtlichen Anrufen. Darum ist seit März dieses Jahres die Änderung des §238 StGB durch das „Gesetz zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellung“ in Kraft und hat ab sofort Gültigkeit. Doch welche juristischen Möglichkeiten hat man als Betroffener von Stalking. ARAG Experten klären auf.
Einstweilige Anordnung
Ein erster juristischer Schritt gegen einen Stalker kann die einstweilige Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) sein. Sie ist auch unter den Begriffen einstweilige Verfügung, Kontaktverbot, Näherungsverbot oder Unterlassungsverfügung bekannt. Sie kommt immer in Frage, wenn Sie wiederholten Belästigungen oder auch Bedrohungen oder sogar Übergriffen ausgesetzt sind. Eine solche gerichtliche Anordnung verbietet dem Stalker, sich in einem bestimmten Radius Ihrer Wohnung, Ihrem Arbeitsplatz oder anderer möglichen Orte, an denen Sie sich aufhalten, zu nähern oder sich in einem bestimmten Umkreis aufzuhalten. Außerdem können Kontaktaufnahmen per Telefon, Internet, SMS, Brief oder auch über Dritte untersagt werden. Leben Täter und Opfer unter einem Dach, etwa kurz nach der Trennung oder in einem Studentenwohnheim, kann der Täter der Wohnung verwiesen werden. Die Schutzanordnung kann vom Gerichtsvollzieher – ggf. auch mittels Zwangsgeld oder Zwangshaft – vollstreckt werden. Verstöße gegen eine Anordnung sind zudem laut § 4 GewSchG strafbar.
Wie erwirken Sie eine einstweilige Anordnung?
Den Antrag stellen Sie beim zuständigen Familiengericht – egal, ob Sie mit dem Stalker verwandt, verheiratet, verschwägert sind oder nicht. Die gute Nachricht: Für den Erhalt einer einstweiligen Anordnung benötigen Sie erstmal keine Beweise! Es reicht die Glaubhaftmachung des Sachverhaltes aus. Das bedeutet, Sie schildern in einer eidesstattlichen Versicherung, was geschehen ist und wieso Sie diese Schutzanordnung benötigen. Sie können den Antrag auch von einem Anwalt stellen lassen; für sozial Schwächere gibt es die Möglichkeit, einen Beratungshilfeschein oder Verfahrenskostenhilfe (früher Prozesskostenhilfe – PKH) zu beantragen. Das Verfahren der einstweiligen Anordnung ist ein Eilverfahren; oft dauert es nur einige Stunden. Selten dauert es mehr als ein paar Tage, bis der zuständigen Polizeiinspektion, dem Antragsteller (Ihnen) und dem Antragsgegner (dem Stalker) jeweils eine Ausfertigung der einstweiligen Anordnung zugeht. Der Stalker bekommt die Anordnung durch den Gerichtsvollzieher zugestellt. Unter bestimmten Umständen wird so eine Anordnung auch an das Jugendamt weitergegeben.
Verstoß gegen die einstweilige Anordnung
Sollte der Täter gegen die einstweilige Anordnung verstoßen, können und sollten Sie jeden einzelnen Verstoß umgehend bei der Polizei anzeigen und beim zuständigen Gericht einen Antrag auf Zwangsmittel (Zwangsgeld oder Zwangshaft) stellen. Erfahrungsgemäß passiert nämlich oft sehr wenig oder die Strafen sind extrem niedrig. Erst die hohe Anzahl der Verstöße und der Anzeigen und Anträge führt irgendwann zu einer Steigerung der Zwangsmittel, die den Stalker unter Umständen spürbar merken lassen, dass er sein Verhalten ändern muss. Das GewSchG ist das einzige deutsche Gesetz, welches eine Doppelbestrafung möglich macht, da Verstöße gegen eine Anordnung sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich verfolgt werden. ARAG Experten raten, diese Rechtswege auch beide auszuschöpfen, um unter Umständen auch weitere juristische Schritte, wie z.B. eine Anzeige wegen Nachstellung zu beschreiten.
Anzeige wegen Nachstellung
Nach der Reform des § 238 StGB sind alle unerwünschten Nachstellungen strafbar, auch wenn sie nicht zu einer Veränderung der äußeren Lebensumstände geführt haben. Das gibt Ihnen die Möglichkeit, einen Stalker wegen der Belästigung selbst und nicht nur wegen etwaigen Nebendelikten wie Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch oder Beleidigung anzuzeigen. Anders als bei der einstweiligen Anordnung müssen die Anschuldigungen dem Stalker nachgewiesen werden. Wichtigstes Instrument hierfür ist das Stalkingtagebuch. Es ermöglicht Ihnen die Art der unerwünschten Kontaktversuche mit Ort, Zeitpunkt und eventuellen Zeugen genau belegen zu können. Außerdem sollten Sie alle gesammelten E-Mails, AB-Nachrichten, SMS, Briefe u.s.w. beilegen. Unter bestimmten Umständen können Sie auch Videoaufnahmen der Anzeige hinzufügen. Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat in einem Urteil festgestellt, dass heimliche Videoaufnahmen, um Stalking zu beweisen, erlaubt sind. Die Persönlichkeitsrechte des Täters können in diesem Fall hinter den Persönlichkeitsrechten des Opfers zurückstehen (OLG Saarbrücken, Az.: 9 UF 73/10). Sollten Sie aufgrund der Nachstellung gesundheitliche oder psychische Probleme haben, so ist es ratsam, einen Arzt die Beschwerden attestieren zu lassen und auch diese Atteste der Anzeige hinzuzufügen. Eine persönliche Stellungnahme dazu, wie sich das Stalking auf das eigene Leben und die Lebensgestaltung auswirkt, kann auch nach der Reform des § 238 StGB durchaus hilfreich sein.
Anzeige wegen Nebendelikten
Sie sollte unter Umständen alle strafbaren Handlungen, zu denen es im Verlauf des Stalkings gekommen ist, anzeigen. Sie können hierfür zur örtlichen Polizei gehen oder auch die Anzeige selbst formulieren und an die zuständige Staatsanwaltschaft schicken. Auf jeden Fall sollten Sie aber darauf achten, dass Sie bei sogenannten Antragsdelikten Strafantrag stellen, da sonst unter Umständen nichts bei der Anzeige heraus kommt. Reine Antragsdelikte sind Beleidigung (§ 185 StGB), Hausfriedensbruch (§ 123 StGB), Verleumdung (§ 187 StGB) und üble Nachrede (§ 186 StBG). Antragsdelikte, die auch ohne Strafantrag von Amtswegen verfolgt werden können, sollte der Staatsanwalt das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung feststellen, sind Körperverletzung (§ 223 StGB), fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB), Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen (§ 248 StGB) und Sachbeschädigung (§ 303 StGB). Straftaten, die immer ohne Strafantrag verfolgt werden, sind hingegen Sexualdelikte, Bedrohung (§ 241 StGB), Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) und die Verstöße gegen eine einstweilige Anordnung nach dem GewSchG, so die ARAG Experten.
Übersicht:
19.04.2017 – Im ersten Teil erörtern ARAG Experten, was Stalking ist, und wie es sich äußert und auswirkt.
20.04.2017 – Im zweiten Teil erörtern ARAG Experten, was man unternehmen kann, wenn man von Stalking betroffen ist.
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