Ryanair: Kündigung eines Flugbegleiters wegen Rufschädigung zulässig?
Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin und Essen, im Interview mit Maximilian Renger, wissenschaftlicher Mitarbeiter.
Maximilian Renger: Du hast dem Inforadio vor kurzem ein Interview geben, in dem es um die Kündigung eines Flugbegleiters von Ryanair ging. Grund soll Rufschädigung gewesen sein. Was ist denn da passiert?
Fachanwalt Bredereck: Der betroffene Flugbegleiter soll sich öffentlich über die Arbeitsbedingungen bei Ryanair beschwert haben. Moderne Sklaven hat er die Mitarbeiter von Ryanair genannt. Dabei ging es insbesondere darum, dass Ryanair seine Arbeitsverträge nach irischem Recht schließe und dadurch etwa ständige Erreichbarkeit von seinen Mitarbeitern verlangen könne. Das hat er in der beschriebenen drastischen Weise öffentlich an verschiedener Stelle angeprangert.
Maximilian Renger: Daraufhin gab es die fristlose Kündigung von Ryanair wegen Rufschädigung – zu Recht?
Fachanwalt Bredereck: Öffentliche Kritik am Arbeitgeber ist ein heikles Thema. Der Arbeitnehmer kann dadurch verschiedene Pflichten aus seinem Arbeitsvertrag verletzten. Zunächst einmal gibt es eine Verschwiegenheitspflicht. Die gilt auch dann, wenn dazu nichts Ausdrückliches im Arbeitsvertrag steht. Man darf demnach als Arbeitnehmer keine sensiblen Interna aus dem Unternehmenskreis in die Öffentlichkeit tragen. Ob diese Pflicht aber im vorliegenden Fall überhaupt verletzt ist, ist durchaus fraglich. Die Problematik der Umgehung des deutschen Arbeitsrechts durch Ryanair ist ja durchaus ein Thema, dass ohnehin schon öffentlich diskutiert wird.
Maximilian Renger: Was für eine Pflichtverletzung kann es denn dann sein?
Fachanwalt Bredereck: Der Arbeitnehmer hat zudem auch eine Loyalitätspflicht gegenüber seinem Arbeitgeber. Wenn er nun von moderner Sklaverei spricht, stellt er den Arbeitgeber dann ja quasi als Sklaventreiber dar. Ein solch wertender öffentlicher Angriff kann wiederum Grund für eine Kündigung sein.
Maximilian Renger: Was für eine Möglichkeit haben denn Arbeitnehmer dann aber, auf interne Missstände bei ihrem Arbeitgeber hinzuweisen?
Fachanwalt Bredereck: Das ist in Deutschland ein großes Problem und fällt unter das Stichwort Whistleblower. Der Schutz von Arbeitnehmern ist in diesem Zusammenhang in Deutschland miserabel ausgeprägt. Das Bundesarbeitsgericht verlangt von Mitarbeitern, zunächst quasi wie ein Staatsanwalt Ermittlungen aufzunehmen zu den Problemen und zu versuchen, auf innerbetrieblichem Wege Abhilfe zu schaffen. Nur wenn das nicht geht, sollen sie sich an die Öffentlichkeit wenden dürfen. Dass Whistleblower damit nicht genug geschützt werden, hat auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) schon gerügt.
Maximilian Renger: Also keine besonders fröhlichen Aussichten für betroffene Arbeitnehmer. Was würdest du dem Flugbegleiter im Fall von Ryanair raten?
Fachanwalt Bredereck: Man sollte innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage erheben, das ist von Seiten der Gewerkschaft auch so geplant. Ich gehe davon aus, dass Ryanair die Kündigung in erster Linie auf die Rufschädigung und das dadurch zerstörte Vertrauensverhältnis stützen wird. Angesichts des Umstandes, dass das Unternehmen aber ohnehin schon öffentlich in der Kritik steht für seine Arbeitsbedingungen, stellt sich schon die Frage, ob das als Kündigungsgrund letztlich durchgreift. Ich würde vorsichtig prognostizieren, dass Ryanair einen langwierigen Prozess, in dem detailliert über die Arbeitsbedingungen diskutiert wird, vermeiden will und die Sache im Rahmen eines Vergleiches mit entsprechend großzügigem Abfindungsangebot versuchen wird zu beenden.
Maximilian Renger: Alles klar, vielen Dank für das Gespräch.
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23.11.2017
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