Ortschaft in Brandenburg – IoT dank neuer Funkantenne
Auf Telekom und Politik warten? Bürger stellt IoT-Hotspot auf. Internet der Dinge soll Innovation und Startups aufs Land holen.
Friesack, 12. März 2019. Während in der Nachbargemeinde Kleßen-Görne noch darüber diskutiert wird, ob der LTE-Mobilfunk ausgebaut wird, ist man in Friesack zwei Schritte weiter. Statt mit Telekom oder Politik zu streiten, werden hier Fakten geschaffen. Ein Bürger stellt einen Funkmast auf und versorgt damit die ca. 2.500 Einwohner mit dem Internet der Dinge. Und das ganz legal.
Den umtriebigen Innovator Christoph Köpernick hat es vor knapp zwei Jahren aus Berlin ins ländliche Brandenburg, in die kleine Stadt Friesack im Herzen des Havellandes, verschlagen. Während der 34-Jährige die saubere Luft, die reiche Natur und die warmherzigen Menschen schätzt, fehlen ihm moderne Technologien, innovative Ideen und die Startup-Kultur. Statt zu warten, um Erlaubnis zu bitten oder Fördergelder zu beantragen, nahm er 400 Euro aus seinem Sparschwein und kaufte eine kleine Box.
Dieser Kniff soll die Stadt smarter machen und Startups anlocken
Die kleine Box hat er aufgestellt und mit dem Internet verbunden. Ähnlich einem WLAN-Router erschließt er damit nun einen Radius von ca. 4 Kilometern und funkt damit im genehmigungsfreien ISM-Band auf 868 MHz. „Das ist legal und Bedarf keiner Erlaubnis“ betont Köpernick. Das lizenzfreie ISM-Band kann für Geräte in Industrie, Wissenschaft, Medizin, in häuslichen und ähnlichen Bereichen genutzt werden.
Ab sofort können sich in Friesack kompatible Geräte für das Internet der Dinge mit dem öffentlichen IoT-Hotspot verbinden. Dazu gehören beispielsweise intelligente Rauchmelder in Häusern, batteriebetriebene Peilsender in der Logistik oder Wettersensoren der Landwirtschaft. Mit diesem Kniff wurde für Friesack, praktisch über Nacht, jene Infrastruktur geschaffen, die hilft die Stadt smarter zu machen, Innovation zu fördern und Startups anzuziehen.
Sigfox-Technologie löst typische Probleme beim Netzausbau
Die Technologie dahinter kommt von Sigfox. Das französische Unternehmen baut ein weltweites IoT-Netz auf. Dabei sind die europäischen Ballungsgebiete, Japan und Südafrika nahezu lückenlos durch eigene Antennen des Unternehmens versorgt. Ländliche Regionen zu versorgen ist, wie für viele Netzbetreiber, nicht immer wirtschaftlich. Um dieses Hindernis zu umgehen, bietet Sigfox die Möglichkeit selbst eine Antenne aufzustellen und damit das öffentliche Netz zu erweitern.
Die notwendige Hardware gibt es in Form einer kleinen Box für 400 Euro bei Sigfox zu kaufen. Der Betreiber muss nur einen geeigneten Standort finden, sowie die Box mit dem Internet und dem Stromnetz verbinden. Schon ist das Sigfox-Netz erweitert. „Die Access Station Micro bietet dort, wo wir heute noch keine Abdeckung haben eine schnelle und einfache Lösung zur Anbindung an das Sigfox IoT Netzwerk“ so Stefan Huber von Sigfox Germany.
Hat man also selbst, beispielsweise im Unternehmen, einen Anwendungsfall für IoT, jedoch keinen Empfang, so kann schnell und günstig das Netz dafür erweitert werden. Im Gegensatz dazu stehen Interessenten von Breitbandinternet in unterversorgten Gebieten vor einem Dilemma: Entweder dürfen sie aus lizenzrechtlichen Gründen nicht selbst aktiv werden oder werden mit mehreren tausend Euro an den Tiefbaukosten beteiligt.
Mehr Nutzer führen zu höherem Nutzen für alle Nutzer
Köpernick, gleichzeitig nebenberuflicher Dozent für Innovation und Entrepreneurship an der Steinbeis Universität, erklärt das unternehmerische Prinzip dahinter: „Wechselhürden hin zur eigenen Technologie zu senken und die Reichweite zu steigern liegen im Bestreben jedes Unternehmens. Damit sollen mehr Kunden erreicht und ein größerer Markt geschaffen werden. Doch auch die Kunden haben etwas davon: Je mehr Nutzer ein System nutzen, desto höher ist der Nutzen für alle Nutzer – das nennen wir in der Wirtschaftslehre den Netzwerkeffekt. Beispielsweise durch ein breiteres Angebot von kompatiblen Geräten und einer Vielzahl von Dienstleistungen.“
Die Vorgehensweise von Sigfox sei beispielhaft für moderne Ansätze in Unternehmen, führt der Akademiker weiter aus: „Sich als Unternehmen bewusst nach außen zu öffnen und anderen zu erlauben das Netz zu erweitern kann als eine Form von Crowdsourcing betrachtet werden. Mit dieser Demembranisierung wird gleichzeitig Innovation zum Wohle aller Akteure gefördert. Zudem sind dezentral aufgestellte Unternehmen robuster.“
Die Bürger sind noch skeptisch und haben andere Sorgen
Eine kurze Umfrage vor dem Aldi-Supermarkt in Friesack bestätigt einen Verdacht: 6 von 8 Befragten kennen die Begriffe Internet der Dinge, Internet of Things oder IoT nicht, oder könnten sich nicht daran erinnern. Zwei meinten den Begriff vorher schon gehört zu haben, wovon einer (ein Logistiker) zugleich grob erklären konnte, dass dort beispielsweise Fahrzeuge miteinander über Funk vernetzt werden. Nach einer kurzen Erklärung der Technologie und möglicher Anwendungsfälle wurde gefragt, ob das Internet der Dinge für die Befragten persönlich spannend oder nützlich sein könnte.
Die Antworten lassen sich mit „brauche ich nicht“, „mit Technik kenne ich mich nicht so aus“ und „vielleicht ist das etwas für meinen Chef“ zusammenfassen. Auch wenn diese Umfrage nicht repräsentativ war, lässt sie die Vermutung zu, dass die Technologie und deren Möglichkeiten noch nicht die Mehrheit der Bevölkerung erreicht haben.
„Das ist nicht verwunderlich. Die Mehrheit der Bevölkerung, insbesondere in den havelländischen Dörfern, hat doch ganz andere Probleme: Zu wenig Arbeitsplätze für ausgebildete Fachkräfte, schlechtes Internet und verödete Ortschaften. Erst wenn diese Pains gelöst sind, wollen sich die Leute mit IoT beschäftigen.“ stellt Patrick Ewald, zugezogener Friesacker und Produktmanager bei einem Berliner Innovationslabor, fest und ergänzt: „Doch vielleicht kann IoT genau dabei helfen: Neue Chancen für Fachkräfte, wirtschaftliche Entwicklung und mehr Wohlstand für alle.“.
Bildung und Beispiele sollen helfen den Wohlstand auszubauen
Ewald und Köpernick haben sich mit vier weiteren Mitstreitern zusammengetan und wollen in der Region Technologie, Innovation und Wissen rund um moderne Methoden fördern. „Dazu haben wir das Innovation Hub Havelland, iHVL, ins Leben gerufen. Wir machen kleine Veranstaltungen um uns beispielsweise über das Internet der Dinge, Blockchain oder The Lean Startup auszutauschen, sowie Erfahrung und Wissen dazu zu verbreiten. Auch überlegen wir was wir tun können, damit die Region floriert. Der IoT-Hotspot ist dabei ein wichtiger Schritt.“ so Köpernick.
Das iHVL lädt interessierte Bürger, Unternehmen und Schüler regelmäßig zu Veranstaltungen ein bei denen Anwendungsfälle gezeigt werden.
Ein Nutzungsbeispiel von IoT bezieht sich auf die Logistik bei Geschäftsmodellen der Sharing Economy.
Über iHVL
Das Innovation Hub Havelland (iHVL) bringt Experten und Neulinge rund um die Themen Gründung und Technologie zusammen. Durch den Austausch von Wissen und der Vermittlung moderner Methoden, sollen Innovation und Startups im Havelland (Brandenburg) gefördert werden. Das iHVL sitzt im Herzen der Region, in der Stadt Friesack, ca. 45 Minuten von Berlin entfernt. Die Initiative wurde von Christoph Köpernick gestartet und es haben sich zahlreiche Bürger aus Friesack und dem Havelland angeschlossen. Die Themenschwerpunkte sind Lean Startup, Design Thinking, Lego Serious Play, Blockchain und Internet-of-Things.
Über Friesack
Die Stadt Friesack liegt zentral im Landkreis Havelland, ca. 50 km westlich von Berlin, im Bundesland Brandenburg an der B5 und dem RE2. In der Stadt leben ca. 2.500 Einwohner und zusammen mit den umliegenden Ortschaften kommt der Amtsbereich auf eine Bevölkerung von ca. 6.500 Personen (Stand: 2017). Knapp ein Viertel der Bewohner ist älter als 65 Jahre. Die lokale Wirtschaft ist von regionalem Handwerk, Landwirtschaft, Dienstleistungen und Geschäften geprägt. Während viele Friesacker täglich nach Nauen oder Berlin zur Arbeit pendeln, zieht das OSZ Havelland täglich hunderte SchülerInnen und Auszubildende aus weiten Teilen des Landkreises in die Stadt. Die Stadt liegt, mit je ca. 30 km Entfernung, räumlich isoliert zwischen Nauen, Rathenow und Kyritz. Die lokale Infrastruktur ist mit Einkaufsmöglichkeiten, Ärzten, Vergnügungs- und Gastronomieangeboten überdurchschnittlich gut. Bei Internetgeschwindigkeiten und Mobilfunkversorgung besteht deutlicher Nachholbedarf.
Firmenkontakt
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