Krankgeschrieben und trotzdem in den Urlaub?
Maximilian Renger, wissenschaftlicher Mitarbeiter, im Interview mit Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin und Essen.
Maximilian Renger: Die Urlaubszeit ist mittlerweile zwar eigentlich vorbei, trotzdem kam jetzt vor kurzem noch die Frage eines Zuschauers auf YouTube auf, der trotz Krankheit seine Urlaubsreise antreten wollte. Sein Arbeitgeber wollte ihm das nicht erlauben – wie ist das zu beurteilen?
Fachanwalt Bredereck: Zunächst muss man sich noch einmal klarmachen, was so eine Krankschreibung eigentlich bedeutet. Es handelt sich dabei ja eigentlich um eine sog. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die man vom Arzt ausgestellt bekommt. Die sagt erst einmal nur aus, dass man (krankheitsbedingt) die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringen kann. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass ich nicht aber in der Lage wäre, in den Urlaub zu fahren.
Maximilian Renger: Die Arbeitsunfähigkeit schließt also eine Urlaubsreise nicht zwangsläufig aus?
Fachanwalt Bredereck: Die Grundregel ist die Folgende: Man darf als Arbeitnehmer nichts tun, was den Heilungsverlauf in irgendeiner Weise beeinträchtigen könnte. Das bedeutet, es ist entscheidend, ob die geplante Reise die bestehende Krankheit verschlimmert bzw. die Heilung verzögert oder aber nicht vielleicht doch im Gegenteil zu einer schnelleren Genesung beiträgt. Nicht immer gehört man zwangsläufig ins Bett, wenn man krank ist. Ich hatte schon Fälle, in denen der behandelnde Arzt einer Arbeitnehmerin, die psychisch krank war, zur Winterzeit Urlaub in der Sonne empfohlen hat.
Maximilian Renger: Das bedeutet also, man kann ruhig auch während einer Krankheit seinen Urlaub antreten, wenn der Arzt das absegnet?
Fachanwalt Bredereck: Ich würde immer empfehlen, zunächst zu versuchen, sich irgendwie mit dem Arbeitgeber zu einigen. Man gerät als Arbeitnehmer sonst schnell in den unangenehmen Verdacht, sich nur vor der Arbeit drücken zu wollen. Immer wieder sprechen Arbeitgeber wegen eines solchen Verhaltens auch eine Kündigung aus. Die lässt sich dann zwar später möglicherweise angreifen, doch auch ein Kündigungsschutzprozess führt in aller Regel nicht zu einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, sondern eher zu einem Vergleich mit Abfindungszahlung. Das Arbeitsverhältnis ist dann aber weg. Diesem Risiko sollte man sich nach Möglichkeit nicht aussetzen. Wer trotzdem unbedingt in den Urlaub fahren will, sollte zumindest sichergehen, dass er von der ärztlichen Seite her entsprechend abgesichert ist und nachweisen kann, dass der Arzt den Urlaub tatsächlich als heilungsfördernd angesehen hat.
Maximilian Renger: Alles klar, vielen Dank für das Interview.
10.10.2016
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