Jubiläumsgeld – Anspruch aus betrieblicher Übung
Verfasser: Maike Koll, Fachanwältin Arbeitsrecht, Anwaltskanzlei Bell & Windirsch (GBR), Düsseldorf
Zahlt ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern bei Erreichen einer 20-jährigen Betriebszugehörigkeit regelmäßig vorbehaltlos ein Jubiläumsgeld in derselben Höhe, entsteht dadurch eine betriebliche Übung, die dem einzelnen Arbeitnehmer einen vertraglichen Anspruch auf diese betriebliche Sozialleistung verschafft.
(LAG Hamm, Urt. v. 12.11.2015, 15 Sa 1195/15)
(Leitsatz der Verfasserin)
Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Jubiläumsgeldes. Der Kläger ist seit 1994 bei der Beklagten beschäftigt. Seit 1993 zahlte die Beklagte ihren Mitarbeitern fortlaufend ein Jubiläumsgeld bei Erreichen einer 20-jährigen Betriebszugehörigkeit in Höhe von 2.556,46 EUR (ursprünglich 5.000 DM). Dieses Jubiläumsgeld wurde pro Jahr an etwa 15 bis 20 Mitarbeiter gezahlt. Im Dezember 2013 kündigte die Beklagte an, dass sie ab dem 01.01.2014 u.a. die Zahlung von Jubiläumsgeldern einstellen würde. Entsprechend erhielt auch der Kläger, der seine 20-jährige Betriebszugehörigkeit am 20.06.2914 „feierte“, kein Jubiläumsgeld. Nachdem der Kläger die Beklagte außergerichtlich erfolglos zur Zahlung aufgefordert hatte, reichte er Zahlungsklage beim Arbeitsgericht Detmold ein.
Das Arbeitsgericht hat der Klage des Klägers stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung des Jubiläumsgeldes verurteilt. Dadurch, dass die Beklagte das Jubiläumsgeld seit 1993 durchgängig bei Erreichen der 20-jährigen Betriebszugehörigkeit gezahlt habe und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass pro Jahr 15 bis 20 Mitarbeiter das Jubiläumsgeld erhalten haben, habe sich bei den Arbeitnehmern das begründete Vertrauen entwickelt, dass die Beklagte auch künftig die Zahlung von Jubiläumsgeldern vornehmen werde.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Auch das Landesarbeitsgericht Hamm blieb dabei: Dem Kläger steht der Anspruch auf Zahlung des Jubiläumsgeldes zu, weil eine entsprechende betriebliche Übung zum Inhalt des Arbeitsvertrages des Klägers geworden ist.
Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zur verstehen, aus denen der Arbeitnehmer schließen kann, dass ihm eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden soll. Es wird angenommen, dass der Arbeitgeber eine entsprechende Willenserklärung abgibt, die vom Arbeitnehmer angenommen werden kann. Hierdurch wird ein Vertragsverhältnis geschaffen, aus dem bei Eintritt der vereinbarten Anspruchsvoraussetzungen ein einklagbarer Anspruch auf die üblich gewordene Leistung/Vergünstigung entsteht. Ob sich der Arbeitgeber dabei überhaupt verpflichten wollte, ist nicht relevant. Es kommt lediglich darauf an, wie der Arbeitnehmer das Verhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte verstehen durfte. Eine Bindung des Arbeitgebers kann hierbei nicht nur bei regelmäßigen Zahlungen, sondern auch bezüglich von Einmalzahlungen entstehen (so bereits das BAG, Urt. v. 28.05.2008, Az. 10 AZR 274/07)
Eine allgemein verbindliche Regel, ab welcher Anzahl von Leistungen der Arbeitnehmer erwarten kann, dass auch er die Leistung beanspruchen kann, gibt es nicht. Die Regel, dass die Leistung dreimal vorbehaltlos gewährt werden muss, ist von den Gerichten lediglich für jährlich an die gesamte Belegschaft geleistete Zahlungen aufgestellt worden. Bei anderen Sozialleistungen müssen die Gesamtumstände umfassend gewürdigt werden; es kommt also insbesondere auf Art, Dauer und Intensität der gewährten Leistung an. Schließlich darf auch die Zahl der Anwendungsfälle im Verhältnis zur Belegschaftsstärke nicht unberücksichtigt bleiben.
Im Fall des Klägers wurde das Jubiläumsgeld über 20 Jahre an alle Mitarbeiter gezahlt, die eine 20-jährige Betriebszugehörigkeit erreicht hatten. Pro Jahr sind ca. 15 bis 20 Mitarbeiter in den Genuss dieser besonderen Sozialleistung gekommen, so dass seit Beginn der Zahlungen ca. 300 bis 400 Mitarbeiter das Jubiläumsgeld erhalten haben. Dies und der Umstand, dass die einmalige Sonderzahlung der Höhe nach durchschnittlich einem Bruttomonatsentgelt entspricht, reichen nach Ansicht des LAG Hamm aus, um eine betriebliche Übung festzustellen. Da die Beklagte einen wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt nicht formuliert hatte, ist die Zahlung eines Jubiläumsgeldes wirksamer Bestandteil des Arbeitsvertrages des Klägers geworden. Mit Erreichen seiner 20-jährigen Betriebszugehörigkeit hat der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt und konnte die Zahlung des von ihm begehrten Jubiläumsgeldes verlangen.
Fazit:
Die Entscheidung des LAG Hamm stellt klar, dass eine betriebliche Übung nicht nur bei jährlich an die gesamte Belegschaft geleisteten Zahlungen – wie z.B. Urlaubs- und Weihnachtsgeld – entstehen kann, sondern auch bei anderen Sozialleistungen, wie z.B. der Zahlung eines Jubiläumsgeldes. Es kommt also nicht darauf an, ob der betroffene Arbeitnehmer bisher schon einmal selbst in die betriebliche Übung einbezogen worden ist. Für eine betriebliche Übung ist allerdings nur dort Platz, wo es an einer kollektiv- oder individualrechtlichen Grundlage für die Leistungsgewährung fehlt (BAG, Urt. v. 20.06. 2007, Az. 10 AZR 410/06). Zahlt ein Arbeitgeber an alle Mitarbeiter über Jahre hinweg freiwillig und ohne Vorbehalt eine Jubiläumszuwendung in derselben Höhe, wird dadurch eine betriebliche Übung begründet, die den einzelnen Arbeitnehmern einen vertraglichen Anspruch auf diese Leistung verschafft. Dieser einmal entstandene vertragliche Anspruch kann vom Arbeitgeber nur durch eine einvernehmliche Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer oder durch eine Änderungskündigung beseitigt werden.
Autorin und zuständig für Rückfragen: Rechtsanwältin Maike Koll, Fachanwältin für Arbeitsrecht, maike.koll@fachanwaeltinnen.de in der Kanzlei Bell & Windirsch, Düsseldorf. www.fachanwaeltinnen.de www.fachanwaeltinnen.de (http://www.fachanwaeltinnen.de)
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