Die Ohrfeige und ihre rechtlichen Konsequenzen
ARAG Experten zur Watschn, Backpfeife, Maulschelle & Co.
Die wohl berümteste Ohrfeige der jüngeren deutschen Geschichte traf Kurt Georg Kiesinger. Die Journalistin Beate Klarsfeld war über die Nazivergangenheit des damaligen Bundeskanzlers so erbost, dass sie ihn am 7. November 1968 in aller Öffentlichkeit ohrfeigte – nicht ohne Folgen: Noch am selben Tag verurteilte sie ein Amtsgericht wegen Körperverletzung und Beleidigung zu einer einjährigen Gefängnisstrafe – der Höchststrafe in einem Schnellverfahren. 1969 wurde die Strafe auf vier Monate mit Bewährung reduziert. Später erhielt Beate Klarsfeld für ihr politisches Engagement das Bundesverdienstkreuz und kürzlich aus den Händen von Staatspräsident Macron den Nationalen Verdienstorden Frankreichs. Was man allerdings wirklich an rechtlichen Konsequenzen zu erwarten hat, wenn einem mal die „Hand ausrutscht“, erläutern ARAG Experten.
Was ist eine Ohrfeige?
Ohrfeige, Watschn, Backpfeife oder Maulschelle – egal, wie man es nennt: Sie stellt zunächst einmal eine Körperverletzung dar und ist daher nach § 223 StGB strafbar. Die Beibringung einer Ohrfeige kann im Falle einer Strafanzeige durch den Betroffenen zu einem Strafverfahren wegen Körperverletzung in Tateinheit mit einer tätlichen Beleidigung führen (eine „leichte“ Ohrfeige, welche die „körperliche Unversehrtheit“ nur unerheblich beeinträchtigt, stellt keine Körperverletzung dar, verwirklicht in der Regel jedoch den Tatbestand der tätlichen Beleidigung). Obwohl eine Ohrfeige – im Vergleich z. B. zu einem Faustschlag in das Gesicht – landläufig mit einem eher geringen Verletzungsrisiko und geringerer Schmerzhaftigkeit in Verbindung gebracht wird, gilt diese unter Erwachsenen doch als besonders ehrenrührig. Dies wird auch in Ausdrücken wie der „verbalen Ohrfeige“ deutlich. Ohne tatsächliche Gewalt anzuwenden, sagte der Ohrfeigende seinem „Opfer“: „Fühlen Sie sich geohrfeigt!“ Dieser Satz hatte früher die gleiche Bedeutung wie die eigentliche Handlung.
Das sagen die Gerichte:
-Ein Mitarbeiter, der einen Kollegen auf einer Betriebsfeier ohrfeigt, kann auch dann fristlos gekündigt werden, wenn er Betriebsratsvorsitzender ist und bereits über zwanzig Jahre in dem Unternehmen gearbeitet hat (Arbeitsgericht Osnabrück, Az.: 4 BV 13/08).
-Die Ohrfeige eines Krankenpflegehelfers gegenüber dem Bewohner eines psychiatrischen Krankenhauses stellt einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung dar! Eine derart schwere Verfehlung braucht der Arbeitgeber vorher nicht abzumahnen. Dies gilt laut Landesarbeitsgericht auch, obwohl der Arbeitnehmer bereits 58 Jahre alt ist und seit 32 Jahren beschäftigt wird (LAG Schleswig-Holstein, Az.: 5 Sa 240/00).
-In einem Schmerzensgeldverfahren wurde einem Arbeitnehmer ein Schmerzensgeld in Höhe von 800 Euro von seinem vorgesetzten Schichtleiter zugesprochen. Dieser Schichtleiter hatte ihm während des Dienstes im Rahmen einer verbalen Auseinandersetzung über seine Arbeitspflichten eine Ohrfeige verpasst (LAG Köln, Az.: 5 Sa 827/08).
-Wird ein Schüler von einem Lehrer geohrfeigt, so steht ihm dann kein Schmerzensgeldanspruch zu, wenn es zu keiner schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens und des Persönlichkeitsrechts kam (LG Hanau, Az.: 4 O 1184/90).
Die Ohrfeige als Erziehungsmaßnahme
Bis ins 20. Jahrhundert wurde die Ohrfeige als probates Erziehungsmittel betrachtet. Trifft eine Ohrfeige nicht lediglich die Wange, kann es sogar gefährlich werden. In Extremfällen können Ohrfeigen bei Kindern und Jugendlichen zu einer erheblichen traumatischen Rotationsbewegung des Kopfes mit resultierender Schädelinnenraumblutung und in der Folge zu bleibenden Hirnschäden mit Behinderung oder gar zum Tode führen. Wird ein Ohr getroffen, so kann die Wirkung der flachen Hand zu einem Überdruck im äußeren Gehörgang führen, was zu dessen Verletzung führt. Die Ohrfeige als Erziehungsmaßnahme bei Kindern und Jugendlichen verbietet sich laut ARAG Experten somit eigentlich schon von selbst. In Deutschland ist die körperliche Bestrafung gegenüber Kindern und Jugendlichen seit Erlass des Gesetzes zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung im Jahr 2000 auch gesetzlich verboten und strafbar!
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