Die Doppelmoral der britischen Justiz: Assange bleibt im Gefängnis
Die Mitteilung Nr. 042 des Außenministeriums der Republik Ecuador zum Antrag auf politisches Asyl von Julian Assange vom 19. Juni 2012 ließ wenig zu diskutieren übrig: Assange ist zweifellos das Opfer politischer Verfolgung. Der damalige Präsident von Ecuador Rafael Correa gewährte ihm daraufhin politisches Asyl. Nach sieben Jahren Aufenthalt in der ecuadorianischen Botschaft im Vereinigten Königreich wurde Assange im April 2019 verhaftet, nachdem ihm auf Beschluss des neuen Präsidenten L. Moreno der Schutz entzogen wurde. Seitdem ist Julian Assange näher denn je an der Möglichkeit, in die USA ausgeliefert zu werden, wo er im schlimmsten Fall lebenslang bestraft werden kann. Insgesamt wird Assange von den USA seit 10 Jahren als Staatsfeind erklärt und verfolgt. Nun sitzt er schon seit 2 Jahren in einem britischen Gefängnis. Dort wurde er von einem Psychiater und einem forensischen Experten besucht. Beide kamen unabhängig voneinander zu dem Entschluss, dass Assange alle Anzeichen zeigte, die für Opfer psychologischer Folter typisch sind: intensive Angstzustände, chronische Stresssyndrome, die bereits seine kognitiven Fähigkeiten und neurologischen Funktionen verschlechtert hatten. Dadurch schwebt Assanges in Lebensgefahr. Nils Melzer, der UN-Sonderberichterstatter über Folter, besuchte Assange ebenfalls und erklärte, er habe London aufgefordert, sofort Maßnahmen zum Schutz von Assanges Gesundheit und Würde zu ergreifen. Trotz der medizinischen Dringlichkeit hat das Vereinigte Königreich keine Maßnahmen zur Untersuchung, Prävention und Wiedergutmachung unternommen, die nach internationalem Recht erforderlich sind. Aus diesen gesundheitlichen Gründen lehnte die Richterin Vanessa Baraitser am 4. Januar 2021 die Auslieferung Assanges an die Vereinigten Staaten ab; und obwohl dies ein Schritt in die richtige Richtung zu sein schien, zeigt der rechtliche Hintergrund des Urteils etwas anderes. Baraitser stellte sich in allen Punkten auf die Seite des amerikanischen Justizministeriums. Sie wies Assanges Hauptargumente zurück, wie zum Beispiel: dass er nicht für die Begehung einer „politischen Straftat“ ausgeliefert werden könne, und dass seine Handlungen durch die Europäische Menschenrechtskonvention geschützt seien. Daher ist es unwahrscheinlich, dass das Urteil von Baraitser ein Hindernis für eine zukünftige Auslieferung darstellt. Im Gegenteil, das Urteil wird in den juristischen Papieren des amerikanischen Justizministeriums mit Sicherheit eine wichtige Rolle spielen. Alles scheint darauf hinzudeuten, dass die Entscheidung des Richters den Prozess gegen Assange nur verlängern wird und sich sein Gesundheitszustand in der Zwischenzeit immer mehr verschlechtert, da der Antrag von Freilassung gegen Kaution ebenfalls abgelehnt wurde. Es ist schwer nicht zu vermuten, dass sowohl die US-Regierung als auch das britische Justizsystem versuchen sicherzustellen, dass Assange ein ähnliches Ende findet wie Milosevic, der im Gefängnis starb, ohne seinen Prozess abgeschlossen zu haben; eine Meinung, die auch Assanges Vater teilt. Auf diese Weise würden sie, wie bei Milosevic, das Legitimationsproblem loswerden, das die beiden manipulierten Prozesse darstellen. Zum Glück gibt es Länder, die dem Wort der amerikanischen Regierung oder dem britischen Justizsystem nicht ganz trauen. Mexiko hat gelernt, dass im Bereich der Geopolitik Worte in den Wind geschlagen werden, oder wie man in Deutschland sagt, „sicher ist sicher“. Aus diesem Grund kündigte der Präsident Mexikos, Andrés Manuel López Obrador, am 4. Januar dieses Jahres in einer Pressekonferenz an, dass er den mexikanischen Außenminister Marcelo Ebrad bitten werde, „[…] die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen, damit die Regierung des Vereinigten Königreichs aufgefordert wird, Herrn Assange freizulassen, und dass Mexiko ihm politisches Asyl anbietet […] mit der Verantwortung, sicherzustellen, dass Assange, sich nicht in die politischen Angelegenheiten eines Landes einmischt“. Die politische Verfassung Mexikos bietet die notwendigen Instrumente an, um einen ausländischen Staatsbürger zu schützen, von dem angenommen wird, dass er politisch verfolgt wird. Diese Argumente finden im regionalen Rechtssystem Unterstützung in der Amerikanischen Erklärung der Rechte und Pflichten des Menschen von 1948 (Art. 27), der Amerikanischen Menschenrechtskonvention von 1969 (Art. 22.7) und dem Interamerikanischen Auslieferungsübereinkommen von 1981 (Art. 4.3 und 4.5). Trotz der Tatsache, dass die gleichen Instrumente im britischen Recht existieren, um politisch Verfolgte zu schützen, hat sich Premierminister Boris Johnson geweigert, sich Assanges Verteidigung anzuschließen. Und das, obwohl Johnson selbst eingeräumt hat, dass das Auslieferungsabkommen mit den USA sehr unausgewogen zu Gunsten der USA ist. Wiederprüchlicherweise versucht die britische Regierung weiterhin jedem Land, das ihre „Standards“ für die Achtung der Menschenrechte nicht erfüllt, „moralische Lektionen“ zu erteilen. Aber sie entscheidet sich bequemerweise dafür, bei einigen Regierungen ein Auge zuzudrücken, solange sie mit ihren wirtschaftlichen, militärischen oder kommerziellen Interessen übereinstimmen. Ein Beispiel ist das Verhalten von Boris Johnson, der vor der Bitte von Julians Partnerin, Stella Moris, im September 2020, eine Begnadigung für ihren Partner zu unterstützen, das absolute Schweigen bewahrt hat. Boris Johnson wird nicht müde, über die Achtung der Menschenrechte im Fall Nawalny zu predigen und sich schamlos in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einzumischen. Die Arroganz, die ihrer kolonialistischen Nostalgie innewohnt, hindert die britische Regierung an Selbstkritik; während ihre politische Agenda und ihre Unterordnung unter die USA sie daran hindert, sich mit Rechtschaffenheit und Moral zu verhalten, manchmal sogar zum Nachteil ihrer nationalen oder regionalen Interessen. Genauso wie Snowdens, war es Julian Assagnes einzige Straftat, Geheimnisse zu enthüllen, die den USA und ihren Partnern wie Großbritannien besonders unangenehm sind und sie mit Fakten und harten Daten in ihrer üblichen Doppelmoral zu entlarven. Es steht auch außer Zweifel, dass eine mögliche Auslieferung von Assange an die USA sein Leben gefährden würde. Auf der anderen Seite kann von der britischen Regierung nicht erwartet werden, dass sie sich um Julians Menschenrechte kümmert, weil er durch die Enthüllungen des Journalisten und durch seine Unterwerfung unter die Vereinigten Staaten kompromittiert wurde. Gleichzeitig sind die Menschlichkeit und das Engagement für die politischen Rechte von Ländern wie Mexiko, auch wenn sie vielleicht keine großen Chancen haben erfolgreich zu sein, eine Lektion in Sachen Integrität und Moral zu vermitteln. Dies insbesondere jetzt, da die neue Biden-Regierung ihre Politik gegenüber Assange nicht geändert hat und sogar das britische Gericht gebeten hat, die Auslieferung zuzulassen. Andererseits besteht mit dem Regierungswechsel in den USA die Gefahr, dass Boris Johnson sich der Auslieferung von Assange nicht widersetzt, um die Sympathie von John Biden zu gewinnen, der ihm einigen Quellen zufolge misstraut, weil er ihn als Trump-nah ansieht. Die Münze liegt in der Luft und es scheint nicht auf juristische Argumente anzukommen, sondern leider auf politisches Verhandeln.
Quelle – https://inforiver.eu
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