Betriebliches Eingliederungsmanagement: kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Hinzuziehung eines Rechtsanwalts

Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck, Berlin und Essen, zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 5 Sa 518/14 -, Rn. 26, juris.

Ausgangslage:

Insbesondere vor dem Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber regelmäßig ein so genanntes betriebliches Eingliederungsmanagement durchführen. Unterlässt er dies, kann die Kündigung allein deswegen unwirksam sein. Da das betriebliche Eingliederungsmanagement also häufig im Vorfeld einer Kündigung stattfindet, haben Arbeitnehmer durchaus ein Interesse daran, hierbei rechtlich beraten zu werden. Dies ist auch sinnvoll, da möglicherweise im Rahmen des Verfahrens Äußerungen getätigt werden, die ja später dem Arbeitnehmer im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses nachteilig werden können.

Fall:

Ein Arbeitnehmer hatte verlangt, dass im Rahmen seines betrieblichen Eingliederungsmanagements sein Anwalt beteiligt wird bzw. er diesen hinzuziehen kann.

Urteil des Landesarbeitsgerichts:

Das Landesarbeitsgericht sieht einen Anspruch jedenfalls im Normalfall nicht als gegeben an. Das Eingliederungsmanagement zielt – wie der Name schon sagt – darauf ab, dem arbeitsunfähigen Arbeitnehmer den Arbeitsplatz zu erhalten. Eine grundsätzliche Pflicht des Arbeitgebers, zum BEM-Gespräch einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen, kann daher nicht angenommen werden (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 5 Sa 518/14 -, Rn. 26, juris).

Bewertung:

Das Landesarbeitsgericht erwähnt in seiner Begründung des Urteils völlig zurecht, dass das Bundesarbeitsgericht bei einer Verdachtskündigung und einer entsprechenden Anhörung hierzu dem Arbeitnehmer sehr wohl gestattet, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Der vorliegende Fall eines betrieblichen Eingliederungsmanagements sei damit aber nicht vergleichbar, da das Eingliederungsmanagement eine andere Zielrichtung verfolge (siehe oben).
Diese Bewertung ist mit Verlaub praxisfern. Sehr häufig wird das betriebliche Eingliederungsmanagement nur als notwendige Vorstufe einer krankheitsbedingten Kündigung durchgeführt. Unbedachte Äußerungen des Arbeitnehmers können hier extrem nachteilig sein. Die Situation ist also sehr wohl derjenigen bei einer geplanten Verdachtskündigung vergleichbar. Vom Ansatz her dient ja auch die Anhörung bei der Verdachtskündigung eigentlich einer Aufklärung durch den Arbeitnehmer und damit der Abwendung der Kündigung.
Ich glaube nicht, dass dieses Urteil richtig ist. Jedenfalls wenn wie in dem dort vorliegenden Fall sogar schon über eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gesprochen wurde, dürfte zumindest nicht ausgeschlossen sein, dass das betriebliche Eingliederungsmanagement nicht nur der Vermeidung einer Kündigung dient, sondern im Gegenteil der Vorbereitung.

Fachanwaltstipp Arbeitnehmer:

Wer ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchführen will/soll, sollte auch immer die spätere Möglichkeit einer krankheitsbedingten Kündigung in Betracht ziehen. Wer diese nicht ausschließen kann, sollte vorab Rechtsrat einholen. Insbesondere Äußerungen zur Leistungsfähigkeit könnten später negativ verwandt werden.

Fachanwaltstipp Arbeitgeber:

Das betriebliche Eingliederungsmanagement sollte vorsorglich vor jeder krankheitsbedingten Kündigung durchgeführt werden. Verlangt der Arbeitnehmer die Hinzuziehung eines Anwalts kann man dies unter Verweis auf die Rechtsprechung verweigern. Man riskiert aber durchaus, dass eine spätere Kündigung dann allein deswegen unwirksam ist.

3.2.2015

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