Aus für den Acht-Stundentag?
Arbeitsrechtler warnen vor Experimenten mit dem Arbeitszeitgesetz
Arbeitsrechtler fordern wirksame Maßnahmen gegen geplante Entgrenzung von Arbeitszeiten. Beschäftigte benötigen Zeitsouveränität und wirksamen Arbeitsschutz statt Abbau von Arbeitnehmer-Schutzrechten.
Das seit 1994 geltende und bewährte Arbeitszeitgesetz wird durch die Große Koalition massiv in Frage gestellt. Das kritisiert die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ). Das bereits mit erheblichen Flexibilisierungsmöglichkeiten ausgestaltete Arbeitszeitgesetz soll weiter geöffnet werden, um noch mehr betriebliche Flexibilität zu erproben. Die auf die Beratung von Arbeitnehmern und deren Interessenvertretern spezialisierten Juristen im VDJ-Arbeitskreis Arbeitsrecht befürchten, dass damit Forderungen der Arbeitgeberverbände nach einer Aufhebung der täglichen Höchstgrenze von zehn Stunden nachgegeben werden soll. Dies schließt Pläne ein, anstelle einer täglichen nur noch eine auf die Arbeitswoche bezogene Höchstarbeitsgrenze zu ermöglichen.
Die VDJ spricht sich gegen diese Experimente zur weiteren Entgrenzung der täglichen Arbeitszeit aus. So wurde im Jahr 2016 bei rund 19.000 durchgeführten Kontrollen von den Aufsichtsbehörden der Länder bei jeder zweiten Überprüfung ein Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz festgestellt. Zahlen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) belegen, dass 70 % der Beschäftigten nach mehr als 8 Stunden noch arbeiten. 34 % sind länger als 9 Stunden dabei und 11 % der Beschäftigten gehen erst nach mehr als 10 Stunden in den Feierabend. Jede zusätzliche Stunde führt zu gesundheitlichen Beschwerden wie Schlafstörungen und körperlicher Erschöpfung. „In der arbeitsrechtlichen Beratung“, so Rechtsanwalt Jens Peter Hjort von der VDJ, „zeigt sich, dass viele Beschäftigte dem Leistungsdruck nicht mehr Stand halten und oft nur noch die Kündigung als Ausweg sehen. „Experimentierräume´ in Richtung einer weiteren Ausdehnung der Arbeitszeiten und Erhöhung des Arbeitsdrucks sind unnötig. Damit gehen dauerhafte Verschlechterungen einher, so wie bei der Einführung der sachgrundlosen Befristung.“
Die VDJ fordert daher „Hände weg vom Acht-Stundentag!“, mehr Arbeitsschutz und eine Einhaltung der Arbeitszeitgrenzen. Die Beschäftigten brauchen eine effektive Kontrolle der Arbeitszeitenregelungen. Die gesetzlichen Dokumentationspflichten sind auf alle tatsächlich ausgeübten Arbeitszeiten und die verbindliche Pausennahme zu erweitern. Die Behörden müssen personell besser und mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet werden. Gefordert wird eine maximale wöchentliche Arbeitsdauer von ausnahmsweise 50 Stunden. Ausstiegsklauseln sind zu verbieten. Ausgleichszeiträume für Phasen mit längerer Arbeitszeit sind auf maximal drei Monate zu beschränken. Benötigt werden quantitative Besetzungsregelungen, insbesondere im Gesundheits- und Pflegebereich.
Notwendig sind dafür nach Einschätzung der VDJ effizientere Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte durch ein Initiativrecht für eine verbindliche und transparente Erfassung aller Arbeitszeiten und deren Offenlegung gegenüber Beschäftigten und den Aufsichtsbehörden. Als nicht weniger wichtig bewerten die Juristen Familien-, Gesundheits- und altersgerechte Arbeitszeiten im Sinne einer zuverlässig abgesicherten „Work-Life-Balance“.
Die vollständige Pressemeldung mit weiteren Zahlen und Hintergründen: www.vdj.de
Die VEREINIGUNG DEMOKRATISCHER JURISTINNEN UND JURISTEN e.V. engagiert sich in rechtspolitischen und juristischen Themen. Die VDJ hat sich zur Aufgabe gesetzt, undemokratischen Tendenzen mit Aktionen, juristischen Analysen und Aufklärung entgegenzutreten.
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