Harald Seubert – Antipolitische Signale
Harald Seubert über die Zeit, in der Deutschland regierungslos war
Harald Seubert lebt für die Wissenschaft der Philosophie. Seit 2012 ist er als Professor und Fachbereichsleiter für Philosophie und Religionswissenschaft an der STH Basel tätig und arbeitet zudem seit 2009 für Politische Philosophie an der Hochschule für Politik München. Wenn er nicht gerade mit seinen Studenten ins leidenschaftliche Fachgespräch vertieft ist, widmet sich Professor Dr. Harald Seubert mit Vorliebe der Forschung und hat im Laufe seiner Karriere so einige wichtige Projekte begleitet. Aktuell ist er darüber hinaus mit verschiedenen Publikationsprojekten beschäftigt, die sich zum Beispiel um die Themen Ethik und Moralphilosophie, Philosophische Systematik oder literarisch-phänomenologische Erkundungen aber auch im Dialog mit Kristina Schippling dem Komplex der Gender-Studies drehen.
EIN NAHEZU ANTIPOLITISCHES SIGNAL
Nach den Bundestagswahlen 2021 stand Deutschland zunächst ohne richtige Regierung, also nur mit einer geschäftsführenden Regierung da. Dieses „Interregnum“ lag noch durchaus im Bereich des Gängigen von parlamentarischen Regierungswechseln. Wenn man sich kurz zurückerinnert, so war die Zeit deutlich knapper als 2017, als die Koalitionsbildung scheiterte. Für Professor Dr. Harald Seubert ist es gut, dass aus dem langen Interim Konsequenzen, auch der größeren Vertraulichkeit der Gespräche, gezogen wurden. Aus philosophischer Sicht ist die Zersplitterung der politischen Milieus fast schon ein „antipolitisches Signal“, das sich die westlichen Demokratien am wenigsten erlauben können. Der Professor und Forscher bewertet diese Situation fehlender Kompromiss- und Koalitionsfähigkeit darüber hinaus als unerfreulich, da die Welt um Deutschland herum auch in dieser Zeit nicht stillstand.
ZÄSUR LAG TIEFER ALS MAN AHNT
Professor Dr. Harald Seubert vermutet, dass dieser kurze Einschnitt in die politische Regierung philosophisch und psychologisch tiefer gegangen sein könnte, als es vielen bewusst war. Auf der einen Seite gab sich ein Politikstil zu erkennen, den man inzwischen als ermüdend ansah, auf der anderen Seite stand die Angst, dass durch Corona-Pandemie, weltweite Krisen und eine vermehrte Systemkonkurrenz, die Autokratien oder Diktaturen im weltweiten Maßstab aufs Tableau bringen, herkömmliche Muster von Politik an ihre Grenze gekommen sein könnten. Als Hauptproblematik sieht Harald Seubert allerdings eine allgemeine Unzufriedenheit, die zu dieser Destruktion führte. Es ist sehr wichtig, dass der Commonsense nicht verloren geht. In Krisen brauchen nicht nur einzelne Resilienz, sondern auch Gesellschaften und Gemeinschaften.
„Es wird immer wichtiger, dass der Commonsense kultiviert wird“, sagt Harald Seubert. Systemisch erzeugte Blasen („Bubbles“) auch auf Social Media im Netz führen leicht dazu, dass man nicht mehr mit-, sondern nur übereinander redet. „Ein grundlegender Konsens, auf dessen Basis man auch streiten kann, ist wichtig für ein demokratisches Gemeinwesen“, schließt Harald Seubert ab.
WAS PASSIERT, WENN EINE REGIERUNG FEHLT
Die Geschichte hat gezeigt, dass eine fehlende Regierung meist bedeutet, dass entweder die Bürgerschaft oder das Parlament das freie Mandat wahrnehmen müssen. Das bietet laut Professor Dr. Harald Seubert den Vorteil, dass die grundlegende Unterscheidung zwischen den weit entfernten Politikern, die oft als „die da oben“ bezeichnet werden, und den Bürgern an unterer Stelle, aufgehoben werden kann.
TRADITION UNERLÄSSLICH FÜR DAS VERSTÄNDNIS VON ZUKUNFT UND GEGENWART
Nach dem Verständnis von Harald Seubert ist Tradition enorm wichtig, um die Gegenwart und Zukunft richtig beurteilen und gestalten zu können. Für ihn ist Konservatismus in diesem Sinn keineswegs eine verstaubte Einstellung gegenüber der Welt, sondern eine Möglichkeit, offen und in der Kenntnis tiefer Traditionsbestände der Gesellschaft gegenüberzustehen. Seine diesbezüglichen Ansichten über die moderne Welt und deren Schwierigkeiten können neuerdings auch in seinem Podcast „Verliebt in die Weisheit“ verfolgt werden, der die zahlreichen Herausforderungen und Störungen der Gegenwart vom Antisemitismus bis hin zu Krisenphänomenen, Friedensphilosophien und die befreiende Schönheit von Denken und Kunst behandelt. Der Podcast erscheint im wöchentlichen, maximal zweiwöchentlichen Rhythmus und richtet sich an alle, die an einem freien, nicht in ideologische Engen führenden #Denken interessiert sind. Mehr denn je ist der Wind der Freiheit erforderlich: Freiheit aber ist immer auch die Freiheit des und der konkreten Anderen, und „Andersdenkenden“.
Professor Dr. Harald Seubert ist in erster Linie Philosoph und in zweiter, stets ehrenamtlich, evangelischer Theologe. Als Ordentlicher Professor für Philosophie und Religionswissenschaften unterrichteteer an verschiedenen Hochschulen und widmet sich in seiner Forschung vor allem der antiken Philosophie, der spekulativen Metaphysik und Mystik des Mittelalters sowie der Philosophie der Moderne.
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