Reformbedarf beim deutschen Kartellrecht
Kritiker bezweifeln Rechtsstaatlichkeit der Verfahren
sup.- Erstaunlich viele Kartellrechtsverfahren enden mit einer so genannten einvernehmlichen Einigung. Unerlaubte Absprachen oder andere Vergehen werden dann seitens der beschuldigten Unternehmen eingeräumt, Bußgelder in astronomischer Größenordnung akzeptiert und bezahlt. Aber wie rechtsstaatlich ist dieses amtliche Prozedere tatsächlich? Oder anders gefragt: Geht im gegenwärtigen deutschen Kartellrecht wirklich alles mit rechten Dingen zu – auch beim Blick hinter die Kulissen und jenseits der offiziellen Verlautbarungen? „Die vermeintliche Freiwilligkeit resultiert oft daraus, dass im Bußgeldverfahren Verfahrensrechte der Unternehmen verletzt werden“, sagt der Wirtschaftspublizist Detlef Brendel, Autor des Fachbuchs „Wirtschaft im Würgegriff / Wie das Kartellamt Unternehmen blockiert“ (Campus Verlag, ISBN 978-3-593-50150-5). Er zieht diesen Schluss aus mehreren ausführlichen Interviews, die er mit betroffenen Unternehmern geführt hat. Dabei traten offensichtliche Muster im Vorgehen der Wettbewerbshüter zutage, die tatsächlich Anlass für massive Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit der Verfahren geben.
Dass das Prinzip der Gewaltenteilung im Kartellrecht außer Kraft gesetzt wird und mit dem Bundeskartellamt eine einzige Institution gleichzeitig ermittelt, anklagt und entscheidet, ist dabei nur ein Teil der Ungereimtheiten. In den Gesprächen war auch immer wieder die Rede von verweigerter Akteneinsicht, unzumutbar langer Verfahrensdauer, öffentlicher Vorverurteilung und mehrfach sogar von unverhohlenen Drohungen der Behörde, um die „Einvernehmlichkeit“ zu erzwingen. Das volkswirtschaftlich grundsätzlich sinnvolle Ziel, den Wettbewerb zu schützen, wird nach Brendels Einschätzung durch diese Methoden ins Gegenteil verkehrt. Denn häufig beziehen sich die Vorwürfe der Kartellbehörden auf eine Preisgestaltung, die sich nicht dem Billig-Niveau eines „Discountry“ anpasst, sondern in Herstellung und Handel konsequente Kundenorientierung sowie umfangreiche Serviceleistungen beinhaltet. Da wird einem Lebensmittelhersteller schon mal in nicht-öffentlicher Anhörung ernsthaft der Verzicht auf hochwertige Zutaten nahegelegt, um die Preise nach unten angleichen zu können. Es liegt auf der Hand, dass solch eine Nivellierung von Qualitätsstufen und Auswahlmöglichkeiten den Wettbewerb nicht fördert, sondern abwürgt. „Es gibt dringenden Reformbedarf“, so Brendels Fazit, der für die Umwandlung des Bundeskartellamtes in eine reine Anklagebehörde plädiert. Die Zuständigkeit für juristische Entscheidungen und Strafzumessungen müsste dann bei einer übergeordneten Instanz angesiedelt werden.
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Redaktion Ilona Kruchen
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