Wirtschaftsminister Gabriel und ifaa-Direktor Stowasser fordern mehr gesellschaftliche Akzeptanz für deutsche Industrie

Mehr Chancen als Risiken durch Wirtschaft 4.0 – Investitionen angemahnt

Berlin/Düsseldorf. „International hat sich die deutsche Industrie mit qualitativ hochwertigen und innovativen Erzeugnissen einen hervorragenden Ruf erarbeitet, der leider oft in Deutschland selbst vielen Menschen nicht bewusst ist.“ Das erklärt Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel in einem Interview mit „Betriebspraxis & Arbeitsforschung“, der arbeitswissenschaftlichen Fachzeitschrift des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft, ifaa. Gabriel will die „Akzeptanz der Industrie und ihrer Investitionsvorhaben“ durch einen „Dialogprozess innerhalb der Gesellschaft“ fördern.

ifaa-Direktor Prof. Dr.-Ing Sascha Stowasser machte sich dafür stark, „vor allem in der jungen Generation stärker dafür zu werben“. Denn gerade hier habe „die Industrie in den letzten Jahren an Boden verloren“. Stowasser: „Im Zuge von Industrie 4.0 sollten wir die wachsende Durchdringung mit digitaler Technik stärker als bisher deutlich machen, um junge Leute für die Industrie zu gewinnen.“ „Unser Ziel ist es, gemeinsam die duale Berufsausbildung zu stärken und für die Gleichwertigkeit der betrieblichen und akademischen Ausbildung zu werben“, erklärte der Bundeswirtschaftsminister in dem Gespräch mit Betriebspraxis und Arbeitsforschung.

Das Gespräch mit Bundeswirtschaftsminister Gabriel und ifaa-Direktor Stowasser bewegte sich um weitere aktuelle industriepolitische Fragen:

Industrie 4.0: „Die Digitalisierung der Wirtschaft“ ist für den Bundeswirtschaftsminister „eine der zentralen Gestaltungsaufgaben der kommenden Jahre“. Die deutsche Industrie sei „in einer guten Startposition, was die Herstellung von Produkten betrifft“. Defizite sieht Gabriel im Soft- und Hardware-Sektor: Hier dominierten „ausländische Anbieter den Softwaremarkt, die „digitale Welt´“.

Gabriel weiter: „Wir wollen die deutschen Unternehmen dabei unterstützen, den Rückstand im IKT-Bereich aufzuholen und zum Leitanbieter für IT-basierte Technologien in der industriellen Produktion auf Hersteller- und Anbieterseite zu werden.“

Der SPD-Vorsitzende mahnte mehr Investitionen an: Der internationale Vergleich zeige, „dass die gesamtwirtschaftliche Investitionsquote in Deutschland leider unter den OECD- und Euroraum-Mittelwerten liegt“. 70 Prozent aller Unternehmen beschäftigen sich nach aktuellen empirischen Daten des ifaa mit Industrie 4.0 und „viele von ihnen arbeiten auch bereits an Pilotprojekten“, so Professor Stowasser. Jedoch seien „in manchen Unternehmen noch nicht alle Prozesse stabil“. Vielerorts müssten „Zuverlässigkeit und Ausfallsicherheit noch erhöht werden“. Der Ingenieurwissenschaftler sieht im Bereich der Normung „noch viel Arbeit vor uns“: „zum Beispiel, weil wir Standards definieren müssen, mit denen die Maschinen der Industrie 4.0 … kommunizieren können“. Wichtig sind nach Auffassung des Arbeitswissenschaftlers „auch Standards der Datensicherheit“.
Dazu Bundeswirtschaftsminister Gabriel: „Wichtig ist, die deutschen Unternehmen zu motivieren, sich stärker in der Standardisierung zu engagieren und gleichzeitig bei den Standardisierungsorganisationen auf die Einhaltung der so genannten WTO-Kriterien wie zum Beispiel Offenheit und Transparenz im Standardisierungsverfahren zu achten.“

Arbeitsorganisation: Einig waren sich die Gesprächspartner darin, dass Industrie 4.0 Herausforderungen für die Betriebs- und Arbeitsorganisation bringt. Gabriel: „An die Beschäftigten und das Management werden dabei hohe Anforderungen gestellt, gerade auch an „weiche Faktoren´ wie Kommunikationsfähigkeit und Eigenverantwortung.“ Stowasser: „Wenn Mensch und Roboter zusammenarbeiten, brauchen wir neue Regeln des Arbeitsschutzes. Und wir werden auch eine Debatte über die Rolle von Führungskräften zu führen haben: Wenn Systeme sich selbst steuern, wer trägt dann die Verantwortung fürs Ergebnis?“

Gabriel sieht im Gefolge von Industrie 4.0 auch neue Chancen. Mehr Flexibilität sowie ein dank digitaler Vernetzung „zunehmend zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten“ eröffnen seiner Auffassung nach „die Chance, die Anforderungen von Familie und Beruf besser als bisher in Einklang zu bringen“. „Alles in allem schätze ich die Chancen für die Beschäftigten … größer ein als das Risiko von Arbeitsplatzverlusten.“

Energiewende: Der Bundeswirtschaftsminister bekräftigte seine Haltung zu den „Strompreis-Rabatten“ für energieintensive Unternehmen. Darüber hatte er sich im vergangenen Jahr erfolgreich mit der EU-Kommission auseinandergesetzt: „… die Novelle des EEG 2014 hatte zum Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der stromkostenintensiven Industrie am Standort Deutschland weiterhin zu sichern: Mit dem Gesetz haben wir die Kostendynamik des Ausbaus erneuerbarer Energien durchbrochen und die Besondere Ausgleichsregelung für die energieintensiven Unternehmen europarechtskonform fortentwickelt. Die Genehmigung der EU-Kommission gilt für die nächsten zehn Jahre – das ist gut für die Planungssicherheit. Es geht also nicht um Industrielobbyismus, es geht um hunderttausende Arbeitsplätze in diesem Land.“

Die Fragen in dem Interview stellte Carsten Seim.

Für Fragen zum diesem Interview oder zu anderen Themen steht Ihnen Prof. Dr.-Ing. Sascha Stowasser gerne zur Verfügung. Das komplette Interview ist der aktuellen Ausgabe der „Betriebspraxis & Arbeitsforschung“ Zeitschrift für angewandte Arbeitswissenschaft erschienen.

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