Versorgungsordnung (betriebliche Altersrente) – Altersdiskriminierung durch Höchstaltersgrenze

Ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin und Essen, zum Urteil des Bundesarbeitsgerichtes (BAG, Urteil vom 18. März 2014 – 3 AZR 69/12 -).

Ausgangslage:

Gem. § 7 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) dürfen Arbeitnehmer nicht wegen ihres Alters benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, sind unwirksam. Wegen der noch recht frischen Regelungen des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sind die Reichweite und die Auslegung der Einzelvorschriften höchstrichterlich in vielen Fällen noch ungeklärt. Die Gerichte werden noch Jahre damit beschäftigt sein, den Anwendungsbereich abzugrenzen.
Auch der Europäische Gerichtshof wird an der einen oder anderen Stelle noch ein Wörtchen mitreden. Klar ist zunächst, dass das Benachteiligungsverbot auch im Rahmen von Versorgungsordnungen zu betrieblichen Altersversorgung gilt. Doch was bedeutet dies im Einzelfall?

Fall:

Ein Arbeitgeber hatte seinen Mitarbeitern Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Rahmen einer Versorgungsordnung der Beklagten zugesagt. Die Versorgungsordnung sieht nach Vollendung des 65. Lebensjahres die Gewährung einer Altersrente vor. Versorgungsberechtigt sind Mitarbeiter, die über eine mindestens zehnjährige Dienstzeit (Wartezeit) beim Arbeitgeber verfügen und zum Zeitpunkt der Erfüllung der Wartezeit das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Klägerin hatte zwar eine zehnjährige Dienstzeit vorzuweisen, die zweite Voraussetzung erfüllte sie allerdings nicht. Nach Erfüllung der Wartezeit war sie bereits älter als 55. Der Arbeitgeber verweigerte daraufhin die Leistungen unter Verweis auf die Versorgungsordnung. Die Arbeitnehmerin klagte auf Gewährung der Altersrente.

Urteil:

Durch alle Instanzen hindurch war die Arbeitnehmerin erfolgreich. Das Bundesarbeitsgericht: „Eine Bestimmung in einer Versorgungsordnung, nach der ein Anspruch auf eine betriebliche Altersrente nicht besteht, wenn der Arbeitnehmer bei Erfüllung der nach der Versorgungsordnung vorgesehenen zehnjährigen Wartezeit das 55. Lebensjahr vollendet hat, ist unwirksam. Sie verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters.“

Das Bundesarbeitsgericht nahm einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach § 7 Abs. 2 AGG an. Es handelt sich um eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters i. S. v. §§ 1, 3 Abs. 1 und § 7 AGG, da alle Arbeitnehmer, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, von den Regelungen generell ausgeschlossen sind. Selbst wenn sie 20 Jahre, also das Doppelte der erforderlichen Zeit, bei dem Arbeitgeber arbeiten würden, kämen sie nicht in den Genuss der Rente. Andere Arbeitnehmer, die, nur weil sie etwas jünger sind und zehn Jahre bei der Beklagten gearbeitet haben, haben hingegen ein Rentenanspruch. Entsprechend liegt die Diskriminierung auf der Hand.

Das Bundesarbeitsgericht sah auch keine Rechtfertigung der Benachteiligung nach § 10 AGG. Nach dieser Vorschrift können zwar grundsätzlich Altersgrenzen in Systemen der betrieblichen Altersversorgung festgesetzt werden. Die konkrete Altersgrenze muss jedoch angemessen sein. Dies ist bei einer Bestimmung nicht der Fall, die Arbeitnehmer, welche noch mindestens 20 Jahre betriebstreu sein können, von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ausschließt.

Bewertung:

Die Entscheidung konnte nicht anders ausfallen. Man fragt sich, warum man damit überhaupt bis zum Bundesarbeitsgericht muss, da die Benachteiligung auf der Hand liegt. Mir liegt nur die Pressemeldung vor, möglicherweise gab es noch andere gewichtige Argumente auf Arbeitgeberseite.

Fachanwaltstipp Arbeitnehmer:

Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz eröffnet in vielen Fällen eine Möglichkeit, seine Ansprüche (zusätzlich) zu begründen. So können zum Beispiel auch an sich wirksame Kündigungen wegen einer damit verbundenen Diskriminierung unwirksam sein. Auch in dem Ausschluss einzelner Arbeitnehmer von Ansprüchen kann eine Diskriminierung liegen, wenn dieser im Zusammenhang mit einem der in § 1 AGG aufgeführten Merkmale (Rasse, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexuelle Identität) steht.

Quelle:

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 18. März 2014 – 3 AZR 69/12 –

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil vom 23. November 2011 – 2 Sa 77/11 –

Gesetz:

§ 7 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.
(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.
(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

09.05.2014

Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck, Berlin und Essen.

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