Leiharbeitnehmer: Möglichkeiten zur Verrechnung für Verleiher
Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck, Berlin und Essen, zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 17.12.2014 – 15 Sa 982/14.
Verleiher darf bei fehlender Einsatzmöglichkeit des Arbeitnehmers nicht dessen Plusstunden auf dem Arbeitszeitkonto verrechnen
Ausgangslage:
Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber das Annahmeverzugsrisiko. Wenn er den Arbeitnehmer mangels vorhandener Aufträge nicht beschäftigen kann, muss er den Arbeitnehmer trotzdem bezahlen. Die Frage war inwieweit dies auch für Leiharbeitnehmer gilt und ob insbesondere der zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit und den Mitgliedsgewerkschaften des DGB abgeschlossene Manteltarifvertrag (MTV) Zeitarbeit vom 22. Juli 2003 eine Verrechnung solcher Minusstunden mit auf einem Arbeitszeitkonto vorhandenen Plusstunden ermöglicht.
Fall:
Der Arbeitgeber setzte die Arbeitnehmerin im Rahmen von Arbeitnehmerüberlassung als Sachbearbeiterin bei anderen Firmen (Entleihern) ein. Zwischendurch hatte der Arbeitgeber zeitweilig keine Verwendung für diese. Er schrieb daher auf dem Arbeitszeitkonto der Arbeitnehmerin Minusstunden, bzw. verrechnete diese Ausfallzeiten mit den dort vorhandenen Plusstunden. Das hatte faktisch zur Folge, dass die Arbeitnehmerin für die Ausfallzeiten keinen Lohn bekam.
Urteil:
Das Landesarbeitsgericht gab der Leiharbeitnehmerin Recht: Das Recht des Leiharbeitnehmers auf Vergütung bei Annahmeverzug des Verleihers kann nicht durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden (§ 11 Abs. 4 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – AÜG). Es ist danach dem Verleiher untersagt, auf dem Arbeitszeitkonto eines Leiharbeitnehmers Arbeitszeiten nicht zu berücksichtigen, weil er den Leiharbeitnehmer zu anderen Zeiten nicht bei einem Entleiher einsetzen konnte.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vertritt weiter die Auffassung, dass der zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit und den Mitgliedsgewerkschaften des DGB abgeschlossene Manteltarifvertrag (MTV) Zeitarbeit vom 22. Juli 2003, der auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, eine solche Verrechnung mangels Einsatzmöglichkeit nicht zulasse. Dies ergebe bereits die Auslegung des Tarifvertrages.
Wolle man den Tarifvertrag anders auslegen, würde das zu keinem anderen Ergebnis führen. Eine einseitige Verrechnung dieser Stunden zu Lasten des Leiharbeitnehmers sei gesetzlich ausgeschlossen. Eine entgegenstehende tarifliche Regelung daher unzulässig.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Eine abschließende Entscheidung wird daher erst das Bundesarbeitsgericht treffen.
Fachanwaltstipp Arbeitgeber:
In der Praxis verfahren viele Arbeitgeber ähnlich. Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesarbeitsgericht der gleichen Auffassung wie das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg sein wird.
Fachanwaltstipp Arbeitnehmer:
Wer sich hier seine Ansprüche offen halten will, sollte insbesondere auf etwaige Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag oder einem anwendbaren Tarifvertrag achten. Andernfalls könnten die Ansprüche allein wegen der Ausschlussfristen verfallen.
Quelle:
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.12.2014 – 15 Sa 982/14
13.4.2015
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