Georg Schramm im Interview: „Gegen Jauch würde ich zur Wahl antreten“

Der aus den Fernsehsendungen „Neues aus der Anstalt“ und „Scheibenwischer“ bekannte deutsche Kabarettist hat mit NEOPresse.com ein ausführliches Gespräch geführt.

Georg Schramm im Interview: "Gegen Jauch würde ich zur Wahl antreten"

Georg Schramm im Linzer Posthof / NEOPresse.com

Vor kurzem hat sich der namhafte deutsche Kabarettist Georg Schramm für ein ausführliches Interview mit der Bloggerzeitung NEOPresse Zeit genommen.

Georg Schramm ist vielen bekannt aus den politisch-satirischen Fernsehsendungen „Scheibenwischer“(ARD) und vor allem „Neues aus der Anstalt“ (ZDF). Er wurde mit nahezu allen namhaften Kabarettpreisen des deutschsprachigen Raums ausgezeichnet, darunter der Deutsche Kleinkunstpreis, der Salzburger Stier und der Schweizer Kabarettpreis Cornichon.

Anlässlich der Tour mit seinem aktuellen Soloprogramm „Meister Yodas Ende“ widmete er eine Stunde seiner Zeit „einem ausladenden, überlangen Interview für junge Menschen“, wie er es selbst bezeichnete.

Zur Sprache kamen sowohl seine Fernsehkarriere, seine Erfahrung mit dem Einfluss der Politik auf die öffentlich rechtlichen Fernsehanstalten in Deutschland, die politische Landschaft mit Peer Steinbrück und der AfD, die seiner Meinung nach schlechteste Regierung, welche die Bundesrepublik je hatte, die Alternativen, die gefühlte Hilflosigkeit, was er seinen Kindern empfiehlt, wie er die Krise in Europa erlebt und wovor er Angst hat.

Er gab Auskunft über seine persönlichen politischen Ambitionen, unter welchen Bedingungen er selbst ins Rennen gehen würde, gesellschaftspolitisches Engagement bei „Stuttgart21“, warum seine Mutter mit den Kommunisten liebäugelte und seine Pläne für die Zukunft nach dem Abschied vom Touren als Solokabarettist.

Es folgen Auszüge aus dem Interview:

NEOPresse.com: Ein kurzer Exkurs zu den „öffentlich Rechtlichen“: Es gab ja in Deutschland große Diskussionen um die „Zwangsgebühr“. Diese wiederum verweisen auf die Notwendigkeit der Gebühren, um die Unabhängigkeit zu wahren. Wie unabhängig sind die „öffentlich Rechtlichen“ tatsächlich? Wären Ihre deutlichen Aussagen gegenüber deutschen Politikern auch in einer Sendung möglich gewesen, die keinen satirischen Charakter hat?

Georg Schramm: Gute Frage, ich vermute eher nicht. Die Sendung war zurecht im Unterhaltungsbereich angesiedelt. Thomas Bellut, damals noch nicht Intendant, sondern Programmdirektor, hat sich vor uns gestellt und an unsere Vernunft appelliert, die Freiräume so zu nutzen, dass wir erhalten bleiben, aber nicht als Drohung sondern als Hinweis.
Wenn man bedenkt, wie übel die Politik, und hier insbesondere die CDU natürlich, dem Chefredakteur im politischen Teil des ZDF reingeredet hat, damals hat die CDU verhindert, dass der Vertrag des anerkannten und geschätzten politischen Kopfes des ZDF, Nikolaus Brender, verlängert wurde, da kann man dann nicht generell sagen, die Unabhängigkeit ist gegeben. Über den Beirat regiert die Politik massiv in ZDF und ARD rein, also haarsträubend und eigentlich nicht verfassungsgerecht, um es höflich zu formulieren. Das Ausmaß der Einmischung ist eigentlich ein Verstoß gegen den Vertrag der öffentlich Rechtlichen. Die Gebühren wären eigentlich nur gerechtfertigt, wenn das Programm tatsächlich eine Alternative zu den Privatsendern wäre, aber ein erschütternd großer Teil des Programms ist keinen Deut besser als das der Privaten und diesen Vorwurf muss man auch als (Zwangs)Gebührenzahler sehr deutlich erheben. Ich bin gespannt, wann es die ersten Klagen gibt.

NEOPresse.com: Zur deutschen Politik: Sie haben ja die Politik einer Angela Merkel immer scharf kritisiert.

Georg Schramm: Nein, ich kritisiere die Politik des selbst ernannten „bürgerlichen Lagers“, da lege ich großen Wert darauf! Ich hab nie dezitiert die Politik von Angela Merkel kritisiert, weil die ja fast nicht erkennbar ist. Ich kritisiere die Politik dieser Regierung. Es ist die schlechteste Regierung, die die Bundesrepublik je gehabt hat. Merkel ist für die Richtlinien verantwortlich, aber meine Kritik richtet sich nicht ausschließlich gegen Angela Merkel. Das muss man breiter fassen. Die FDP hat großes Unheil angerichtet in den letzten Jahren.

NEOPresse.com: Ein Artikel auf NEOPresse.com vor einiger Zeit hat auf satirische Weise vorgeschlagen, dass Sie, Kollege Pelzig und Kollege Pispers zur deutschen Bundestagswahl antreten und den Grillo-Effekt nutzen. Wie wahrscheinlich ist Georg Schramm als deutscher Grillo?

Georg Schramm: Also erstens möchte ich nicht zum Grillo werden, weil der auch ein paar Zungeschläge drauf hat, die mich sehr beunruhigen, auch wenn Dario Fo ihn für fehleingeschätzt hält. Der Grillo-Effekt wäre ja großartig, aber der wird bei uns nicht eintreten, weil das politische System in Deutschland in den Augen der Wählermasse nicht so verrottet ist wie in Italien. Ich bin ein energischer Kritiker unseres Politikbetriebs, aber in Italien hat die Selbstbedienungsmentalität der Politiker ein Ausmaß angenommen wie es bei uns unvorstellbar wäre. Dazu kommt, dass wir ja, warum auch immer, ein Nutznießer der gegenwärtigen Verhältnisse sind. Wir sparen jedes Jahr große Milliardenbeträge.

NEOPresse.com: Aber das gilt nicht für die breite Bevölkerung.

Georg Schramm: Nein.

NEOPresse.com: Aber das sind die Wähler.

Georg Schramm: Es ist ja ein Phänomen, das bei uns noch schwächer ausgeprägt ist als in den USA. Dort wählen die Menschen ja geradlinig gegen ihre eigenen Interessen. Bei uns tun sie das von einem bestimmten Punkt aus betrachtet auch. Aber das ist nicht die Stimmung im Land.
Trotzdem haben wir in Deutschland eine relativ geringe Arbeitslosenrate und eine gottseidank noch relativ niedrige Jugendarbeitslosigkeit im Vergleich zu anderen Ländern, was besonders wichtig für unsere Zukunft ist. Wir haben im Vergleich ein relativ gut funktionierendes soziales Absicherungssystem, auch wenn ich dieses im Detail heftig kritisiere. Es gibt keine Wechselstimmung in Deutschland. Noch nicht mal zu Rot-Grün hin, geschweige denn zu einem Grillo-Effekt.
Ich habe mich ja leichtsinnigerweise der Auffassung verschrieben, dass ich auf die Frage, ob ich Bundespräsident, der in Deutschland gar nicht vom Volk gewählt wird, werden möchte zu sagen, an dem Tag, an dem er vom Volk gewählt würde, müsste ich wahrscheinlich gegen Frank Beckenbauer und die Bild Zeitung antreten, oder eher Günther Jauch. Franz Beckenbauer ist zu alt. Günther Jauch würde dann als Präsidentschaftskandidat von Friede Springer auf das Schild gehoben werden. Gegen Günther Jauch, da würde ich dann unter Umständen zu meiner Frau sagen: „Gut, hiermit ist unser Familienleben zerstört, ich kandidiere“.
Sich in der Politik stark zu engagieren ist ein völlig anderes Pferd als politisches Kabarett zu machen. Aber auch in Island hat ein gediegener Komiker (Jon Gnarr, Regionalwahl in Reykjavik Anm. d. Red.) einen beachtlichen Wahlerfolg gefeiert und den etablierten Parteien gehörigen Schrecken eingejagt.
Mein persönlicher Ehrgeiz ist sehr klein, man müsste mich an meiner preußischen Ehre packen.
Man weiß ja nicht, was die Zeiten noch bringen. Ich bin überzeugt, wir werden in Zukunft in Europa noch einige Überraschungen erleben.

NEOPresse.com: Zum Abschluss etwas persönliches: Die Figur in Ihrem aktuellen Programm Lothar Dombrowski findet sich in der Welt der Senioren bzw. der Welt der Ausgemusterten nicht richtig zurecht. Der Mensch Georg Schramm tritt bald kürzer, wie ist der Ausblick auf das Alter?

Georg Schramm: Von den politischen Entwicklungen habe ich ja eine Vorstellung, düster. Wenn ich in diesen düsteren Rahmenbedingungen halbwegs gesund bleibe, dann hätte ich noch eine Weile Spaß mitzumischen, zu essen, zu trinken und zu streiten. Dafür etwas mehr Zeit zu haben als in den letzten zehn Jahren.

NEOPresse.com: Mehr Zeit wobei mitzumischen?

Georg Schramm: Zum Beispiel jungen Leuten ausladende, überlange Interviews zu geben und nicht sagen zu müssen, ich habe 10 Minuten Zeit und danach muss ich einen Text für „Neues aus der Anstalt“ schreiben. Ich bleibe politisch engagiert und gehe zu wohltätigen Veranstaltungen, für die ich sonst gar keine Zeit gehabt hätte.

Link zum vollständigen Interview

Homepage Georg Schramm

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