Eine unendliche Geschichte

Streit über deutsches Glücksspielrecht wird wohl wieder vor Gericht ausgetragen

Von Ansgar Lange +++ Kiel/München, Juli 2012 – Die Kritik am deutschen Glücksspielstaatsvertrag reißt nicht ab. Jüngst hat die Monopolkommission in ihrem 19. Hauptgutachten http://www.monopolkommission.de/haupt_19/mopoko_volltext_h19.pdf dem Bundeswirtschaftsministerium unmissverständlich deutlich gemacht, dass das Gesetz in Schleswig-Holstein Vorbildcharakter habe, während der Staatsvertrag der übrigen 15 Länder über gravierende Schwächen verfüge.

Der Vorsitzende der Kieler SPD-Landtagsfraktion, Ralf Stegner, zeigt sich von dieser Kritik scheinbar unberührt: „Gutachten, die sich kritisch mit dem Glücksspielstaatsvertrag auseinandersetzen, gibt es viele, das ist nichts Neues.“ Seiner Meinung nach biete das Gesetz der christlich-liberalen Vorgängerregierung „den legalen Anker für illegale Gelder“. Die SPD wolle „Wertschöpfung und Wirtschaftswachstum in der Realwirtschaft, mit guter Arbeit und ordentlichen Löhnen, und nicht in einem Glücksspielparadies Schleswig-Holstein“.

Diese Argumentation hört sich zunächst gut an. Aber hat sich Stegner ernsthaft mit den Argumenten der „Gegenseite“ beschäftigt oder das Gespräch mit den Glücksspielanbietern gesucht? Zweifel sind angebracht. Immer wieder werden Anbieter und Nutzer von Glücksspielen kriminalisiert. Bei Online-Poker sei beispielsweise eine besonders hohe Geldwäsche- und Suchtgefahr gegeben.

Dialog auf Augenhöhe mit Anbietern und Nutzern ist wichtig

Dr. Wulf Hambach, Gründungspartner der Kanzlei Hambach & Hambach Rechtsanwälte in München http://www.timelaw.de hält diese Argumentation für unredlich. „Ralf Stegner zum Beispiel behauptet, dass Online-Poker besonders gefährlich im Hinblick auf Geldwäsche sei“, so der Rechtsexperte im Gespräch mit PokerStrategy (vgl. http://www.timelaw.de/cms/front_content.php?idcat=7&idart=861). „Jedoch trägt er keine Argumente vor, warum das so sein soll. Herr Stegner hat sich weder mit den Anbietern, noch mit den Verbrauchern, noch mit dem Spiel an sich befasst, oder damit, wie andere Länder wie zum Beispiel Spanien, Dänemark, Großbritannien oder die Niederlande das Thema angehen.“

Hambach zufolge werde diese Ignoranz zur Folge haben, dass der Glücksspielstaatsvertrag den Politikern ganz schnell wieder auf die Füße fallen und ein Gang vor Gericht unausweichlich sein wird, schließlich gibt es nicht zuletzt starke europarechtliche Bedenken gegen den Vertrag.

Schleswig-Holstein ist einen anderen Weg gegangen als die übrigen Länder. Im September 2011 verabschiedete der Landtag ein eigenes Glücksspielgesetz, das bereits grünes Licht von der EU-Kommission erhalten hat. Im März 2012 wurden die Lizenzen ausgeschrieben. Die neue Landesregierung will dieses Gesetz nun wieder zurücknehmen. „Es besteht ein Rechtsanspruch eines jeden Anbieters auf diese Lizenzen“, betont Dr. Hambach. „Es kann nicht sein, dass ein Gesetz einfach nicht angewendet wird. So etwas gibt es nicht.“

In der Tat sprechen einige Fakten gegen das Vorhaben der neuen Landesregierung. Das schleswig-holsteinische Gesetz ist ja bereits von der EU-Kommission notifiziert worden. Nun müsste ein Gesetz, dass dies alles wieder rückgängig macht, ebenfalls notifiziert werden. Es ist kaum vorstellbar, wie ein solcher Akt juristisch begründet werden sollte, dass Lizenznehmern bestehende Rechte wieder wegnehmen will.

Durch Regulierung entsteht Rechtssicherheit für die Nutzer

Der Münchner Glücksspielexperte gibt sich derweil gelassen. Es seien ja bereits einige Lizenzen verteilt worden. Bis zum Herbst würden weitere dazukommen: „Die Anbieter, die eine Lizenz bekommen haben, also etwa zehn oder zwölf Anbieter, die werden natürlich genauso vor Gericht ziehen. Weil sie nur eine Sportwettlizenz bekommen haben und keine Online-Casino-Lizenz, die sie ja auch beantragt haben“. Die Anbieter, die bisher eine Lizenz erhalten hätten, seien „keine kleinen Klitschen“. Vielmehr handele es sich um große, an der Börse notierte Unternehmen. Nicht zuletzt die Verbraucher würden von einer flächendeckenden Legalisierung und Regulierung des Glücksspiels profitieren. Das sei genau wie beim Online-Banking oder bei jeder anderen Plattform im Internet, erläutert Dr. Hambach: „Der Verbraucher muss wissen, dass er seine Rechte geltend machen kann, wenn er dort spielt oder etwas kauft. Außerdem geht es um die Kanalisierung des Spieltriebes in geordnete und überwachte Bahnen.“

Doch von Argumenten der Vernunft haben sich bisher zu wenige (politische) Akteure im Dauerstreit über das deutsche Glücksspielrecht beeindrucken lassen. Wie so oft müssen also wahrscheinlich wieder Gerichte die Aufgaben übernehmen, zu deren Lösung sich ein Großteil der Landespolitiker (noch) nicht in der Lage sieht.

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