Eigenbedarfskündigung: zur Unwirksamkeit wegen Vorhersehbarkeit des Eigenbedarfs

Eigenbedarfskündigung: keine „automatische“ Unwirksamkeit bei Vorhersehbarkeit des Eigenbedarfs zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages. Ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Berlin und Essen.

Die Ausgangslage:

Kündigt der Vermieter wegen Eigenbedarfs kann eine solche Eigenbedarfskündigung unter Umständen rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam sein, wenn der Vermieter den Wohnraum auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er zumindest erwägt, denselben Wohnraum demnächst selbst zu nutzen. Der Vermieter darf in solchen Fällen dem Mieter die mit jedem Umzug verbundenen Belastungen dann nicht zumuten, wenn er ihn über die Absicht oder zumindest die Aussicht begrenzter Mietdauer nicht aufklärt.

Der Fall:

Der Vermieter hatte mit seiner Mieterin im Jahr 2011 einen unbefristeten Mietvertrag abgeschlossen. Im Jahr 2013 kündigte er dann bereits das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zum 31. Mai 2013. Zur Begründung berief er sich darauf, dass seine 20 Jahre alte Tochter, die nach ihrem im Juni 2012 abgelegten Abitur ein Jahr in Australien verbracht habe, am 18. Juli 2013 nach Deutschland zurückkehren werde. Sie wolle danach eine Arbeitsstelle in Frankfurt/Main antreten und ein berufsbegleitendes Studium in Mannheim aufnehmen. Sie wolle nach ihrer Rückkehr eine eigene abgeschlossene Wohnung beziehen. Vor ihrem Auslandsaufenthalt habe sie ein Zimmer bei ihren Eltern bewohnt. Die Mieterin widersprach der Kündigung, weil der Eigenbedarf für den Vermieter bei Abschluss des Mietvertrags vorhersehbar gewesen sei.

Das Landgericht hatte die Eigenbedarfskündigung als unwirksam angesehen. Für die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens reiche es bereits aus, wenn bei Vertragsschluss hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass das Mietverhältnis nur von kurzer Dauer sein werde. Das sei hier der Fall. Wenngleich sich die Tochter des Klägers bei Abschluss des Mietvertrags noch keine konkreten Vorstellungen über einen Auszug aus dem elterlichen Heim gemacht haben möge, hätte der Kläger bei verständiger Betrachtung den Eigenbedarf voraussehen können und müssen.

Die Entscheidung:

Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Landgerichts auf und verwies den Rechtsstreit zurück.

Anders als vom Landgericht angenommen sei die Kündigung nicht wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam. Der Bundesgerichtshof hat zwar nochmal drauf hingewiesen, dass nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ein widersprüchliches rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliegt, wenn der Vermieter Wohnraum auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entweder entschlossen ist oder zumindest erwägt, ihn alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen. Er darf in diesen Fällen dem Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet, die mit jedem Umzug verbundenen Belastungen dann nicht zumuten, wenn er ihn über die Absicht oder zumindest die Aussicht begrenzter Mietdauer nicht aufklärt.

Kein Rechtsmissbrauch liegt dagegen vor, wenn das künftige Entstehen eines Eigenbedarfs für den Vermieter zwar im Rahmen einer – von Teilen der Instanzrechtsprechung erforderlich gehaltenen – „Bedarfsvorschau“ erkennbar gewesen wäre, der Vermieter aber bei Mietvertragsabschluss weder entschlossen gewesen ist, alsbald Eigenbedarf geltend zu machen, noch ein solches Vorgehen erwogen, also ernsthaft in Betracht gezogen hat. Denn bei verständiger und objektiver Betrachtung bringt ein Vermieter dadurch, dass er dem Mieter einen unbefristeten Mietvertrag anbietet und nicht von sich aus Angaben über den Stand und die mögliche Entwicklung seiner familiären und persönlichen Verhältnisse (etwa Heranwachsen von Kindern, drohende Trennung von Familienangehörigen, Erkrankung, berufliche Veränderungen) macht, regelmäßig nicht zum Ausdruck, dass er die Möglichkeit eines alsbaldigen Eigenbedarfs unaufgefordert geprüft hat und nach derzeitigem Erkenntnisstand ausschließen kann. Würde vom Vermieter bei Abschluss eines Mietvertrags eine solche – sich nach einer verbreiteten Auffassung auf bis zu fünf Jahre erstreckende – Lebensplanung verlangt werden, würde dessen verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit missachtet, über die Verwendung seines Eigentums innerhalb der gesetzlichen Grenzen frei zu bestimmen.

Für die – in erster Linie dem Tatrichter obliegende – Beurteilung, ob der Vermieter entschlossen war, alsbald Eigenbedarf geltend zu machen oder ein solches Vorgehen ernsthaft in Betracht gezogen hat, darf allerdings nicht allein auf seine Darstellung abgestellt werden. Vielmehr kommt es auf eine Würdigung der Gesamtumstände an. Dabei kann auch auf objektive (äußere) Umstände zurückgegriffen werden, sofern diese tragfähige Anhaltspunkte für den Kenntnisstand des Vermieters bilden.

Der Bundesgerichtshof hat den Rechtsstreit nunmehr an das Landgericht zurückverwiesen, damit die erforderlichen Feststellungen zu dem – von der Beklagten bestrittenen – Vorliegen einer Eigenbedarfssituation und zu den von ihr geltend gemachten Härtegründen getroffen werden können.

Der Bundesgerichtshof verweist zur Begründung darauf, dass der Mieter ja nicht schutzlos gestellt sei. Insbesondere könne der Mieter für einen gewissen Zeitraum einen beiderseitigen Ausschluss der ordentlichen Kündigung oder einen einseitigen Ausschluss der Eigenbedarfskündigung vereinbaren.

Fachanwaltstipp Vermieter:

Natürlich ein sehr erfreuliches Urteil für Vermieter. Gleichwohl sollte man es hier nicht übertreiben. Der Bundesgerichtshof hat schon klargestellt, dass auch künftig Eigenbedarfskündigungen rechtsmissbräuchlich sein können, wenn der Vermieter in Kenntnis des bestehenden Eigenbedarfes ohne Hinweise vermietet. Wenn Sie also eine Eigenbedarfskündigung in absehbarer Zeit planen, wäre bei Neuvermietung ein Hinweis darauf sicher angebracht. Diesen Hinweis können Sie durchaus in den Mietvertrag aufnehmen. Jedenfalls dann kann sich der Mieter später nicht auf Rechtsmissbrauch berufen. Allerdings sind Sie auch in diesem Fall umfassend beweisbelastet für das Vorliegen des Eigenbedarfs.

Fachanwaltstipp Mieter:

Die Möglichkeiten der Abwehr einer Eigenbedarfskündigung für Mieter werden immer weiter begrenzt. Der Gesetzgeber sieht sich offensichtlich nicht zum Handeln veranlasst. Bei Zugang einer Eigenbedarfskündigung muss zunächst geprüft werden, ob der Eigenbedarf nur vorgetäuscht ist, ob Sperrfristen laufen oder im günstigsten Fall der Eigenbedarf sogar durch den Mietvertrag ausgeschlossen ist.

18.2.2015

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