Boomtown oder Alpenidyll? – Demografischer Wandel als Chance für den Alpenraum

„Wie können Regionen im Alpenraum die Chancen des demografischen Wandels nutzen?“ – lautete die zentrale Frage von „Demochange“. 13 Partner aus fünf Alpenländern haben dazu interessante Fakten aufgezeigt und mit den Menschen in den Alpen konkrete Probleme angepackt. Mit daraus abgeleiteten Strategien und Empfehlungen und einem praktischen SWOT-tool richten sie sich nun vor allem an Fachleute aus Raumplanung, Regionalentwicklung und -politik im Alpenraum. Ausgewählte Foto-Reportagen zum demografischen Wandel in den Alpen sind zunächst in Slowenien, ab Dezember in Südtirol zu sehen.

Boomtown oder Alpenidyll? - Demografischer Wandel als Chance für den Alpenraum

Prozession im Alpenraum, Christian Ganschitter – Demochange-Fotowettbewerb

„Wie können Regionen im Alpenraum die Chancen des demografischen Wandels nutzen?“ – Dies ist laut Thomas Bausch die zentrale Frage von „Demochange“. Der Alpenforscher und Tourismus-Professor an der Hochschule München leitet das Projekt bis Ende 2012, das EU-Alpenraumprogramm fördert es. 13 Partner aus fünf Alpenländern haben zuerst den demografischen Wandel im Alpenraum analysiert. Auf Basis der Fakten entwickelten sie mit den Menschen in zehn Alpenregionen dann Pilotaktionen, um konkrete Probleme zu lösen und Chancen aufzuzeigen. Die Ergebnisse von Demochange stellte man Ende September in Kranjska Gora, Slowenien vor. Mit daraus abgeleiteten Strategien und Empfehlungen richten sie sich nun vor allem an Fachleute aus Raumplanung, Regionalentwicklung und -politik im Alpenraum.

Fotografien des Wandels in alpinen Regionen
Bildserien von zehn Künstlerinnen und Künstlern, die für den Demochange-Fotowettbewerb ausgewählt wurden, zeigen die vielen Gesichter des Wandels im Alpenraum. Die Ausstellung ist bis 4. November im Slowenischen Alpin-Museum in Mojstrana zu sehen, ab 26. Dezember 2012 im Messner Mountain Museum RIPA in Bruneck.

Viel mehr als eine alternde Gesellschaft
Weltweit werden laut dem UN-Report „Ageing in the 21st century“ im Jahr 2050 erstmals mehr Menschen über 60 als unter 15 sein. Im Demochange-Tagungsort werden dann mehr als ein Drittel der Bevölkerung Senioren sein. Ebenfalls in den Alpen, im italienischen Aostatal ging innerhalb von 15 Jahren die Zahl der 15-24-Jährigen um etwa ein Drittel zurück, während die der Hochbetagten um etwa 40 Prozent stieg. Eine alternde Bevölkerung ist jedoch nur eine Herausforderung des demografischen Wandels im Alpenraum. „Denken wir auch an Migration, zum Beispiel an Zuwanderer aus dem In- und Ausland, an neue Familien- und Arbeitsplatzmodelle oder ein verändertes Verbraucherverhalten“, so Thomas Bausch.

Extreme Disparitäten
Punktgenau können Strategien für die Anpassung an den Wandel nur sein, wenn man die vielen Facetten des Wandels auch kleinräumig betrachtet. Blanka Bartol, die slowenische Leiterin der Arbeitsgruppe Demografie der Alpenkonvention, warnte in Kranjska Gora vor trügerischer Statistik: „Allgemeine Zahlen der Raumordnung zeigen selten, dass unterschiedliche Räume unterschiedliche Bilder zeigen, die unterschiedliche Instrumente erfordern“. Das Team von „Demochange“ hat deshalb zunächst in zehn Modellregionen – in der Schweiz, Österreich, Italien, Deutschland und Slowenien – genau untersucht, wie sich die Bevölkerungsstruktur verändert hat, und warum. Dabei wurde zum Beispiel die durchschnittliche Haushaltsgröße beleuchtet, die viel über das soziale Gefüge einer Region aussagt. Einen besonders hohen Durchschnitt mit fast drei Personen, also traditionelle Familienhaushalte oder sogar Mehrgenerationenhaushalte weisen die slowenische Modellregion Oberkrain oder Seetal in der Schweiz auf. Im internationalen Vergleich niedrig ist der Schnitt im Landkreis Garmisch-Partenkirchen (D), Aostatal (I) oder Nidwalden (CH), ein Hinweis auf einen hohen Anteil an Singles, Kinderlosen und/oder Senioren. Ob boomende Gemeinden mit starker Zuwanderung oder entvölkerte Täler, die Disparitäten im Alpenraum können innerhalb von wenigen Kilometern extrem sein. Die schlechte Erreichbarkeit mancher Orte in den Alpen verstärkt diese Unterschiede sogar oft.

Sorgenkind: preiswerter Wohnraum
Noch ein weiterer Aspekt ist im Alpenraum besonders relevant: Die schöne, naturreiche Landschaft zieht nicht nur Touristen, sondern auch verstärkt Pensionäre an. Häufig folgt eine Kettenreaktion: Wie der Anteil der Altersgruppe 65+ ohne familiäre Bande vor Ort steigen die Immobilienpreise. Preiswerter Wohnraum für Familien wird dadurch knapp, Pflegepersonal, Nachwuchs für die Landwirtschaft oder den Tourismus auch. Im österreichischen Salzburger Land zum Beispiel ist bezahlbares Wohnen in Tourismusgemeinden ein Sorgenkind. „Arbeit und Wohnung sind das Wichtigste. Wir wollen, dass die Leute dauerhaft dort wohnen können“, erklärte Friedrich Mair, leitender Raumplaner beim Amt der Salzburger Landesregierung.

Chance für neue Arbeitsplätze und Produkte
Das Projektteam um Thomas Bausch sieht eine alternde Bevölkerung aber auch als große Chance. „Hier können qualifizierte Arbeitsplätze und neue Produkte geschaffen werden, wie zum Beispiel im Gesundheitsbereich“, so Bausch. Gemeinsam mit den Menschen in den Regionen entwickelte das Demochange-Team deshalb Pilotaktionen, um Stärken vor Ort zu nutzen und Chancen aufzuzeigen. Die Schlüsselthemen dabei waren: neue Perspektiven und Ausbildungswege für die Jungen, echte Partizipation, die Weitergabe alpiner Traditionen, soziale Netzwerke für die Altenpflege oder bezahlbarer Wohnraum für Familien. So entstanden neue Initiativen, wie etwa die „Ehrenamtliche Demenzhilfe Allgäu“, ein Schulungsprogramm, das Angehörige und Freiwillige zusammenbringt. Oder „Für Talente kämpfen – Ausbildungsmarketing im Landkreis Garmisch-Partenkirchen“, „Altes Wissen neu beleben“ im Schweizer Kloster Maria-Rickenbach oder „Wohnen mit Zukunft, Verein Wohnwandel“ im Kanton Nidwalden.

Strategien für die Anpassung an den Wandel
Diese Erfahrungen aus zehn Regionen in den Alpen mündeten schließlich in praxisnahe Strategien nach dem Baukasten-Prinzip. Dank eines kostenfreien „online-SWOT-tools“ können nun auch andere Regionen eigene Ziele und Maßnahmen entwickeln. Schließlich sollen die Ergebnisse aus Demochange möglichst vielen zugutekommen.

Kostenfreies SWOT-Tool
Unter www.swottool.de können Planer in Instituten, privaten Büros, Landratsämtern, Gemeinden oder Hochschulen ein Internet-basiertes, kostenfreies Instrument nutzen. Es ermöglicht eine strukturierte, systematische SWOT-Analyse von Regionen oder Gemeinden. Schritt für Schritt beleuchtet man Stärken-Schwächen, legt Schwerpunkte fest. Das System kombiniert damit demografische Elemente und formuliert Vorschläge für Chancen/Risiken. Daraus kann man individuell Ziele festlegen. Eine „Wiki“ dient als Arbeitshilfe.

Bildrechte: Christian Ganschitter – demochange photocontest

Die Fakultät für Tourismus an der Hochschule München
Das Team richtet seine Forschungsstrategie auf Themen der nachhaltigen Entwicklung im Tourismus aus. Prozesse wie der Klimawandel, der demografische Wandel oder die Finanz- und Wirtschaftskrise spielen dabei eine große Rolle. Nicht zuletzt durch Münchens Lage ist der Alpenraum ebenfalls im Fokus des Interesses. „Demochange“ ist bereits das dritte EU-Projekt, an dem sich die Fakultät beteiligt.

Die Fakultät ist eine der größten, betriebswirtschaftlich ausgerichteten Fakultäten für angewandte Wissenschaften in Deutschland. 970 Studentinnen und Studenten, 18 Professoren und circa 60 Lehrbeauftragte studieren und forschen hier gemeinsam im Bereich Tourismus.

Kontakt:
Hochschule München, Fakultät für Tourismus, Projektleitung Demochange
Susanne Forster
Schachenmeierstraße 35
80636 München
0049-89-1265-2134
susanne.forster@hm.edu
http://www.tr.fh-muenchen.de

Pressekontakt:
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Andrea Schmölzer
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