Betriebskostenabrechnung – Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit
Ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Berlin und Essen, zum Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18. Januar 2011 – VIII ZR 89/10 -, juris.
Die Ausgangslage:
Mindestens einmal im Jahr erhalten Mieter ihre Betriebskostenabrechnung. Kaum ein Mieter versteht diese. Dabei soll nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblich für die Nachvollziehbarkeit die Sicht eines „durchschnittlich gebildeten, juristisch und betriebswirtschaftlich nicht geschulten Mieters“ sein. Das Problem: Mit der Beschreibung einer solchen Person hat sich der Bundesgerichtshof eine Kunstfigur geschaffen, die es in der Realität nicht gibt.
Meine These: 90 Prozent aller Betriebskostenabrechnungen sind aus der Sicht eines „durchschnittlich gebildeten, juristisch und betriebswirtschaftlich nicht geschulten Mieters“ nicht nachvollziehbar. Ich gehe noch weiter: 90 Prozent aller Betriebskostenabrechnungen sind allenfalls aus der Sicht mietrechtlich geschulter Juristen ohne weiteres nachvollziehbar.
Es lohnt sich also, sich mit der vom Bundesgerichtshof geschaffenen Kunstfigur des „durchschnittlich gebildeten, juristisch und betriebswirtschaftlich nicht geschulten Mieters“ genauer zu befassen, denn diese Person ist von einem durchschnittlich gebildeten Mieter aufgrund der Beschreibung des Bundesgerichtshofs nicht ohne weiteres erkennbar/nachvollziehbar.
Nachfolgend deshalb eine weitere Entscheidung, die Anforderung an diesen Mieter konkretisiert.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Für die Beurteilung der – rechnerischen – Nachvollziehbarkeit einer Betriebskostenabrechnung ist die Sicht eines durchschnittlich gebildeten, juristisch und betriebswirtschaftlich nicht geschulten Mieters maßgeblich. Daher ist eine Betriebskostenabrechnung nicht wegen formeller Mängel unwirksam, wenn in dieser bei den nach der Personenzahl umzulegenden Betriebskostenpositionen die Gesamtpersonenzahl als Bruchteil angegeben ist. Auch die Angabe unterschiedlicher Gesamtwohnflächen in einer Betriebskostenabrechnung beeinträchtigt grundsätzlich nicht deren Nachvollziehbarkeit, da sich die Verteilung der Betriebskosten auch in einem solchen Fall regelmäßig ohne gedankliche und rechnerische Schwierigkeiten aufgrund der in der Abrechnung angegebenen Werte nachvollziehen lässt (BGH, Beschluss vom 18. Januar 2011 – VIII ZR 89/10 -, juris).
Der Bundesgerichtshof begründet dann im Einzelnen, welche Berechnungen und welches Wissen der Mieter haben müsse. Dazu eine Kostprobe:
Nachfolgend noch ein Beispiel für die Neben den in der Betriebskostenabrechnung 2004/2005 enthaltenen – unschwer als Gesamtwohnfläche des Hauses Nr. 53 (1.013,26 m²), des Hauses Nr. 55 (794,66 m²) und beider Häuser zusammen (1.807,92 m²) zu erkennenden – Gesamtflächenangaben, ist lediglich in der Heizkostenabrechnung eine weitere Gesamtwohnfläche von 3.722,21 m² angegeben. Auch diese Angabe begründet aber keinen Erläuterungsbedarf. Denn der Verteilungsmaßstab – das Verhältnis der Wohnfläche der Wohnung der Beklagten zur Gesamtwohnfläche von 3.722,21 m² – ist erkennbar. Da zur Wirtschaftseinheit neben den beiden genannten Häusern zwei weitere Wohnhäuser gehören, liegt es aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlich gebildeten, juristisch und betriebswirtschaftlich nicht geschulten Mieters nahe, dass es sich bei den 3.722,21 m² um die Quadratmeterzahl der Gesamtwohnfläche aller vier Häuser der Wirtschaftseinheit handelt, zumal die genannte Quadratmeterzahl rund das Doppelte der Gesamtwohnfläche der Häuser Nr. 53 und 55 beträgt (BGH, Beschluss vom 18. Januar 2011 – VIII ZR 89/10 -, juris).
Fazit:
Allein das Auftauchen von Bruchteilen und unterschiedlichen Wohnflächen führt noch nicht zu einer formalen Unwirksamkeit der Betriebskostenabrechnung. De facto ist der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Tendenz anzumerken, die formalen Anforderungen an Betriebskostenabrechnungen so niedrig, wie möglich zu halten. Unter diesem Gesichtspunkt sind in Zukunft auftauchende Streitfragen zu bewerten.
Fachanwaltstipp Vermieter:
Auch wenn der Bundesgerichtshof Ihnen die Arbeit sehr leicht macht, sollten Sie nicht übertreiben. Die oben dargestellte Rechtsprechung wird vermutlich noch lange Zeit Bestand haben. Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, dass der Bundesgerichtshof eines Tages entdeckt, dass der durchschnittlich gebildete, juristisch und betriebswirtschaftlich nicht geschulte Mieter die von ihm in ständiger Rechtsprechung geforderten Leistungen nicht erbringen kann.
Fachanwaltstipp Mieter:
Man sollte sich auf Mieterseite eher nicht auf die formale Unrichtigkeit verlassen und stattdessen auch konkrete inhaltliche Einwände gegen die Abrechnungen erheben. Das geht regelmäßig nur nach Einsichtnahme in die Belege.
1.12.2014
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